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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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glaubst, dass er Kontakt zu Rosen aufnehmen könnte?«
    »Falls er das nicht schon längst hat, ja.«
    Noras Handy gab einen Signalton von sich. Eine SMS – von Albrecht. Komme zehn Minuten später, Notfall in der Praxis .
    Sie registrierte erschrocken, dass es bereits kurz nach halb sechs war. Nur noch eineinhalb Stunden, bis sie in der Oper sein musste, und sie war noch nicht einmal umgezogen! Schnell stürzte sie den letzten Rest Kaffee hinunter, verabschiedete sich und stürmte hinaus, das Kleid in einer raschelnden Schutzhülle am Bügel.
    Sonntag, 20. Oktober
    Nora kam lediglich mit Boxershorts und T-Shirt bekleidet in die Küche und schenkte sich eine Tasse Tee ein. Dann setzte sie sich an den Tisch zu Ceyda, die gerade von der Nachtschicht zurückgekehrt war und nun, noch in ihrer Schwesternuniform, E-Mails am Laptop beantwortete, um abzuschalten. Ihr Adrenalinspiegel war nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus immer ziemlich hoch, wie Ceyda ihr einmal erklärt hatte, sodass sie nicht direkt schlafen könne. Die meist langweiligen, oft anzüglichen, aber stets einfallslosen Nachrichten der Möchtegern-Casanovas im Internet verschafften ihr die nötige Bettschwere und einen erholsamen Schlaf.
    Doch Ceydas Blick ruhte heute Morgen nicht auf dem Bildschirm, sondern auf dem Paar handgemachter Budapester, die im Flur standen.
    »War wohl nett im Rigoletto.«
    »La Bohème«, antwortete Nora einsilbig.
    Eine Zimmertür knarrte, dann tauchte Bruno Albrecht in der Küchentür auf, fix und fertig angezogen bis auf die Schuhe. Er gesellte sich zu ihnen, stellte sich kurz vor und entschuldigte sich, er müsse gleich los. Nora brachte ihn zur Tür und sie verabschiedeten sich mit einem flüchtigen Kuss.
    Ceyda starrte auf den Bildschirm. Dann prustete sie los. »Ein Foto hätte schon gereicht«, japste sie.
    »Er hat sich ausgesperrt«, erwiderte Nora.
    »Ausgesperrt?« Ceyda bemühte sich vergebens, ernst zu bleiben. »Meine Typen haben sich auch immer ausgesperrt. Die älteste Ausrede der Geschichte.«
    Nora konnte nicht umhin, in Ceydas Gelächter einzustimmen. Sie fühlte sich wie ein verliebter Teenager.
    Ceyda fuhr fort, ihre elektronische Post zu sortieren. »Mich hat noch nie einer in die Oper eingeladen«, seufzte sie.
    »Seit wann interessierst du dich für Opernmusik?«
    »Ist doch egal. Es geht ums Prinzip. Übrigens, ist er so nett wie er aussieht?«
    »Noch ein bisschen netter.«
    »Ach, Nora, ich beneide dich. Der hat nicht zufällig noch einen Zwillingsbruder?«
    »Leider nein.« Nora umrundete den Tisch, trat hinter ihre Freundin und legte tröstend den Arm um sie. Dabei fiel ihr Blick auf den Bildschirm und das Foto eines Mannes, der sich Ceyda auf einem Datingportal vorgestellt hatte.
    Auch ohne Bart erkannte Nora ihn auf Anhieb wieder. Das Profil war nüchtern abgefasst, einfallslos, aber nicht zudringlich. Nora war klar, dass diese Bewerbung ohne ihre Unterstützung wie die meisten anderen dieser Art im elektronischen Papierkorb landen würde.
    »Was hältst du davon, wenn wir zum Frühstück ins Depot gehen? Ich würde noch jemanden bitten, sich uns anzuschließen.«
    »Ich weiß nicht Nora, ich bin ziemlich fertig. Eigentlich wollte ich gleich schlafen gehen.«
    »Na komm schon, auf einen Kaffee und ein Croissant. Eine Stunde. Höchstens. Wirst es sicher nicht bereuen.«
    »Jetzt machst du mich aber neugierig«, erwiderte Ceyda und gähnte.
    Nora musste erst einmal ihr Adressbuch durchforsten, die Nummer war ihr nicht mehr geläufig. Nach mehrmaligem Klingeln wurde endlich abgenommen.
    »Das ist aber eine nette Überraschung!«
    »Hast du Lust, mit mir und einer Freundin frühstücken zu gehen, Gitte?«
    »Um eins beginnt mein Dienst im KDD.«
    Nora bot ihre gesamten Überredungskünste auf und ein paar Minuten später hatte sie Erfolg. Sie verabredeten sich vor dem Lokal.
    »Aber nenn mich nicht immer Gitte, du weißt, dass ich das nicht leiden kann«, mahnte die Stimme.
    *
    Das Depot am Südbahnhof platzte aus allen Nähten, wie wahrscheinlich jedes Lokal, das einen Sonntagsbrunch in Sachsenhausen anbot. Als Nora um die Ecke bog, lehnte ihre Verabredung bereits lässig an der Mauer neben der Eingangstür.
    Noras Herz schlug ein wenig schneller. Und Ceyda machte große Augen.
    Bevor sie Nora zur Rede stellen konnte, machte diese sie miteinander bekannt: »Gideon, darf ich dir Ceyda vorstellen, meine Mitbewohnerin. Sie ist Krankenschwester im Bürgerhospital und Single. Aber das weißt du ja

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