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Die Voliere (German Edition)

Die Voliere (German Edition)

Titel: Die Voliere (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc-Oliver Bischoff
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Ohren rauschen. Sein Gesicht brannte, vermutlich lief er wieder knallrot an. Nun blieb ihm nichts anderes übrig, als sich aus dem Fenster zu lehnen. »Hören Sie, Albrecht: Die Scheelbacher haben dem Verkauf der Schreckenmühle unter völlig anderen Bedingungen zugestimmt. Eine Nutzung als Unterkunft für ehemalige Straftäter hätten wir niemals akzeptiert.«
    »Jetzt hören Sie mal zu, Herr Kiefer: Dass Sie als Stammeshäuptling oder Nachbarschaftssprecher dem Erwerb des Aussiedlerhofes zustimmen müssen, ist mir völlig neu. Davon war während der gesamten Verkaufsabwicklung kein einziges Mal die Rede. Ich habe das Anwesen ordnungsgemäß erworben und bezahlt. Alles, worum ich Sie bitte, ist etwas Verständnis für die Situation der Männer. Es sind Menschen, die das Gleiche wollen, wie Sie auch: ein ruhiges und sicheres Zuhause.«
    Kiefer schnaubte erbost. Dieser Frankfurter Tierarzt war nicht so leicht einzuschüchtern, wie er gehofft hatte.
    »Scheelbach ist unser Zuhause. Dort wohnen Familien mit Kindern; was meinen Sie, wie die sich fühlen, mit Mördern und Kinderschändern in unmittelbarer Nachbarschaft?«
    »Die Männer haben für ihre Jahrzehnte zurückliegenden Taten bezahlt. Außerdem ist es ja nicht so, dass sie gleich nebenan einziehen. Die Schreckenmühle liegt einige Kilometer vom Dorf entfernt.«
    »Die Kinder spielen im Scheelbacher Forst, die Frauen sammeln dort im Herbst Pilze und Beeren.«
    »Die Männer werden rund um die Uhr bewacht. Was soll denn passieren? Seien Sie doch froh – Sie bekommen eine mobile Polizeistation, zum Nulltarif.«
    »Das haben wir in Scheelbach ganz sicher nicht nötig!«
    Kiefer war laut geworden. Die Tür ging hinter ihm auf, Albrechts Assistentin fragte, ob sie behilflich sein könne. Der Arzt schickte sie wieder hinaus, bat sie aber, die Tür offen zu lassen.
    »Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    Kiefer sah seine Felle davonschwimmen. Mit vernünftigen Argumenten war dem Kerl offensichtlich nicht beizukommen. Dann musste er auf Plan B zurückgreifen. Und falls der ebenfalls nicht zum Ziel führte, hatte er noch Plan C in der Schublade. Oder besser gesagt, Plan H. H wie Henk.
    Kiefer legte ein Scheckbuch auf den Untersuchungstisch, das in einer Lederhülle steckte, und holte einen Kugelschreiber aus der Brusttasche.
    »Ich erhöhe den Betrag, den Sie bei der Auktion für den Hof bezahlt haben, um fünfzigtausend Euro. Sie machen ein gutes Geschäft. Für das Geld können Sie ein nettes Häuschen für Ihre Freunde kaufen – frisch renoviert. Und weit weg von Scheelbach.«
    »Also sind Sie doch deswegen hier. Sie können es nicht ertragen, zu verlieren.«
    »Fünfundsiebzigtausend. Mein letztes Wort.«
    »Gehen Sie, Herr Kiefer, und finden Sie sich mit der Situation ab. Das ist mein letztes Wort.«
    Kiefer ballte die Fäuste. »Ich gebe Ihren Schützlingen einen guten Rat«, zischte er. »Jetzt im Herbst ist Schusszeit – Jagdsaison, falls Ihnen das mehr sagt. Es wäre besser, wenn sie im Haus bleiben und sich nicht allzu lange im Wald aufhalten. Die Jäger legen im Moment auf alles an, was sich bewegt.« Kiefer wusste, dass es nicht besonders klug war, Albrecht zu drohen. Sollte wirklich etwas passieren – Gott bewahre! –, würde die Polizei zuallererst vor seiner Tür stehen.
    »Das ist ja wie in der guten alten Zeit: Die Frauen sammeln Pilze und Beeren und die Männer gehen auf die Jagd. Sind Sie sicher, dass Sie schon Telefon und elektrischen Strom haben?« Albrecht grinste.
    Wütend stapfte Kiefer aus der Praxis. Er riss den Strafzettel von der Windschutzscheibe, setzte sich hinters Steuer und brauste los.
    *
    Tibursky ruckte am Einkaufswagen. Doch der rührte sich nicht, denn er war scheinbar untrennbar mit einer Kette an seinem Vordermann befestigt.
    »Wenn die wolle, dass mer hier eikaufd, warum schließe die dann ihre Wägelscher fest?«, murmelte er kopfschüttelnd.
    Auch den zweiten Versuch quittierte der Einkaufswagen mit Blockade. Einer der beiden Zivilbeamten, die im Bus von Scheelbach nach Rieneck in der Reihe hinter ihm gesessen hatten, tippte Tibursky auf die Schulter. Seit er die Schreckenmühle verlassen hatte, ließen sie ihn keine Sekunde aus den Augen.
    »Sie müssen einen Euro hineinstecken, Herr Tibursky«, sagte der Mann und deutete auf den Griff, in dem ein Schlitz in der Größe eines Daumennagels angebracht war.
    Tibursky wühlte in seiner Hosentasche, förderte aber nur einen Zwanzigeuroschein zutage.
    »Könne Sie

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