Die volle Wahrheit
sah, wie Sacharissa zurückwich.
Der innere Lektor beobachtete das Geschehen interessiert. Sie hat
den Mann getreten, sagte er. Und zwar in die… du weißt schon. Äh.
Vermutlich liegt es an all dem komisch geformten Gemüse.
William begriff, dass er die Geschichte vervol ständigen musste.
Er stand auf und winkte den Zwergen zu, die mit einsatzbereiten Äx-
ten näher kamen.
»Wartet! Wartet! Hör mal… Bruder Nadel…« Der Schmerz in seinem
Arm wurde stärker. William verzog das Gesicht, senkte den Blick und
stellte erschrocken fest, dass sich der grässliche Dorn durch seinen Är-
mel gebohrt hatte.
Herr Nadel versuchte, sich auf den jungen Mann zu konzentrieren,
der an seinem Arm herumtastete, aber die Schatten erlaubten es ihm
nicht. Er war nicht sicher, ob er noch lebte. Das konnte die Erklärung
sein! Er musste tot sein! All der Rauch, die schreienden Leute, die Stimmen, die in seinen Ohren flüsterten… Zweifel os befand er sich in einer
besonderen Art von Höl e, aber Nadel erinnerte sich triumphierend
daran, dass er eine Rückfahrkarte hatte…
Irgendwie gelang es ihm, sich wieder aufzurichten. Er holte die Kar-
toffel des verstorbenen Herrn Tulpe unter dem Hemd hervor und hielt
sie hoch.
»Hab d’ ‘toffel«, verkündete er stolz. »‘s wird alles gut, nicht wahr?«
William blickte in das rußgeschwärzte Gesicht mit den blutunterlau-
fenen Augen, in ein Gesicht, das schrecklichen Triumph zeigte, und
betrachtete dann die verschrumpelte Kartoffel am Bindfaden. Derzeit
war sein Verständnis der Realität fast ebenso schlecht wie das von
Herrn Nadel, und wenn ihm jemand eine Kartoffel zeigte, so konnte
das nur eins bedeuten.
»Äh… sie sieht nicht sehr komisch aus«, bemerkte er und schnitt eine
Grimasse, als er an dem Dorn zog.
Hinter Herrn Nadels Stirn verflüchtigte sich der letzte Rest von Rati-
onalität. Er ließ die Kartoffel los, und mit einer Bewegung, die nichts
mit Gedanken, aber al es mit Instinkt zu tun hatte, holte er einen langen
Dolch unter der Jacke hervor. Die Gestalt vor ihm verblasste zu einem
Schatten unter vielen; er wol te sie nicht entkommen lassen und sprang.
William löste den Dorn aus dem Ärmel, hob schützend die Hand vors
Gesicht…
Es war eine ziemliche Überraschung für Herrn Nadel – und gleichzei-
tig die letzte seines Lebens.
Der Schneeregen zischte in der Glut.
William sah in das verwirrte Gesicht des Angreifers und beobachtete,
wie das Licht in dessen Augen erlosch. Langsam sank Herr Nadel zu
Boden, die eine Hand noch immer hoffnungsvol nach der Kartoffel
ausgestreckt.
»Oh«, ertönte Sacharissas Stimme aus der Ferne. »Du hast ihn mit
dem Dorn erledigt…«
Blut tropfte von Williams Ärmel.
»Ich… äh… ich glaube, ich könnte einen Verband vertragen«, sagte
er. Eis sol te nicht heiß sein, glaubte er zu wissen, aber der Schock fül te ihm die Adern mit brennendem Frost. Er schwitzte Eis.
Sacharissa eilte zu ihm und zerrte am Ärmel ihrer Bluse.
»Es ist bestimmt nicht schlimm«, sagte William und versuchte zurück-
zuweichen. »Vermutlich ist es nur eine jener… enthusiastischen Wun-
den.«
»Was ist hierr passierrt?«
William sah von dem Blut an seiner Hand zu Otto, der auf einem
Schutthaufen stand, mit Verblüffung im Gesicht und zwei Schachteln
in den Händen.
»Ich bin nurr kurrz weggegangen, um Säurre zu holen, und plötzlich
verrwandelt sich derr Schuppen in… Meine Güte… meine Güte…«
Gutenhügel zog eine Stimmgabel aus der Tasche und klopfte damit
an seinen Helm.
» Schnell, Jungs!« Er winkte mit der Gabel. »›Oh, komm nur zur Mission… ‹«
Otto winkte sanft ab, als die Zwerge zu singen begannen.
»Nein, ich habe es gut unterr Kontrrolle, besten Dank«, sagte er. »Ich
kann mirr denken, was hierr passierrt ist. Der Mob steckt dahinterr,
nicht wahrr? Frrüher oderr späterr kommt immerr derr Mob. Mein
Frreund Borris ist einem zum Opferr gefal en. Err zeigte den Leuten
sein Schwarrzes Band, aberr sie lachten nurr und…«
»Ich glaube, sie hatten es auf uns alle abgesehen«, sagte William. »Wie
dem auch sei: Ich bedaure sehr, dass ich ihm keine Fragen stellen konn-
te…«
»In der Art von ›Ist dies das erste Mal, dass du jemanden erwürgst?‹«,
fragte Boddony. »Oder ›Wie alt bist du, Herr Mörder?‹«
Jemand hustete.
Offenbar kam das Geräusch aus der Jackentasche des Toten.
William sah zu den Zwergen und suchte in ihren überraschten Ge-
sichtern
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