Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die volle Wahrheit

Die volle Wahrheit

Titel: Die volle Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
nicht zurückhalten. Er sprach sich praktisch selbst und
    blieb in der Luft hängen.
    Lord Vetinari bedachte William mit einem durchdringenden Blick, der
    etwas länger dauerte als nötig. Dann zeigte sein Gesicht ganz plötzlich ein Lächeln.
    »Natürlich. Das sollten die Ruderer tatsächlich erfahren. Nun, dies ist
    das Zeitalter der Worte. Sechsundfünfzig Verletzte bei einem Krawall
    in einer Taverne. Erstaunlich. Welche Neuigkeiten hast du sonst noch
    für uns?«
    »Nun…, äh… es ist sehr kalt…«
    »Wirklich? Es ist sehr kalt? Meine Güte!« Auf dem Schreibtisch stieß
    ein kleiner Eisberg an die Seite von Lord Vetinaris Tintenfass.
    »Ja, und gestern Abend gab es… einen Aufruhr bei einer Kochkunst-
    Versammlung.«
    »Einen Aufruhr?«
    »Nun, vermutlich mehr eine Art Gepolter.* Und jemand hat in seinem
    Gemüsegarten eine komisch gewachsene Karotte gefunden.«
    »Das nenne ich eine Neuigkeit. In welcher Hinsicht ist sie komisch
    gewachsen?«
    »Äh… sie hat eine besondere Form, Euer Exzel enz.«
    »Darf ich dir einen kleinen Rat geben, Herr de Worde?«
    »Ich bitte darum.«

    * Bei Worten gibt es, genau wie bei Fischen einige spezialisierte Exemplare, die nur in bestimmten Riffen überleben können, wo sie aufgrund ihrer
    besonderen Gestalt und individuellen Gepflogenheiten vor dem
    Durcheinander des offenen Meeres geschützt sind. Worte wie »Aufruhr« und
    »Gepolter« finden sich nur in bestimmten Zeitungen (so wie es »Getränke«
    nur auf gewissen Speisekarten gibt). Bei einem normalen Gespräch verwendet man sie nie.
    »Sei vorsichtig. Die Leute wollen vor allem das hören, was sie bereits
    kennen. Denk daran. Es verunsichert sie, wenn man ihnen von neuen
    Dingen erzählt. Damit rechnen sie nicht. Sie möchten zum Beispiel
    wissen, dass Hunde Menschen beißen. So was kommt immer wieder
    vor. Sie wol en nicht hören, dass jemand einen Hund beißt, weil das in
    einer normalen Welt nicht geschehen sol te. Kurz gesagt: Die Leute
    glauben, dass sie Neues hören wollen, doch in Wirklichkeit wünschen sie sich Altes. Wie ich sehe, hast du das bereits erkannt.«
    »Ja, Herr«, sagte William. Er wusste nicht, ob er alles verstand, aber
    eins stand fest: Der Teil, den er verstanden hatte, gefiel ihm nicht be-
    sonders.
    »Ich glaube, die Graveursgilde möchte das eine oder andere mit Herrn
    Gutenhügel besprechen, William; aber ich war immer der Ansicht, dass
    wir in die Zukunft schreiten sol ten.«
    »Ja, Herr. Es ist ziemlich schwer, eine andere Richtung einzuschla-
    gen.«
    Wieder richtete Lord Vetinari einen ziemlich langen Blick auf William,
    dann lösten sich seine Gesichtszüge ruckartig aus der Starre.
    »In der Tat. Ich wünsche dir einen guten Tag, Herr de Worde. Oh…
    und sei auf der Hut. Du möchtest sicher nicht zu einer Zeitungsmel-
    dung werden.«

    Als er zur Schimmerstraße zurückkehrte, dachte William über die Wor-
    te des Patriziers nach, und es ist nicht klug, zu sehr in Gedanken
    versunken zu sein, wenn man durch die Straßen von Ankh-Morpork
    wandert.
    Nur mit einem knappen Nicken ging er an Treibe-mich-selbst-in-den-
    Ruin Schnapper vorbei, aber Schnapper war ohnehin beschäftigt. Er
    hatte zwei Kunden. Zwei gleichzeitig – das war sehr selten, wenn es
    sich nicht um eine Mutprobe handelte. Doch diese beiden Leute beun-
    ruhigten Schnapper, denn sie inspizierten sein Angebot.
    T.m.s.i.d.R. Schnapper verkaufte seine heißen Würstchen überal in
    der Stadt, sogar vor der Assassinengilde. Er konnte andere Personen
    gut beurteilen, vor allem dann, wenn es eventuel erforderlich war, um
    eine Ecke zu huschen und dann möglichst schnel wegzulaufen. Inzwi-
    schen hielt er es für ausgesprochenes Pech, dass er sich an diesem Ort
    aufgehalten hatte, und obendrein war es zu spät, die Flucht zu ergreifen.
    Killern begegnete er nicht oft. Mördern ja, aber für gewöhnlich hatten
    Mörder irgendeinen Anlass, jemanden umzubringen, in den meisten
    Fäl en Freunde oder Verwandte des Opfers. Außerdem kannte Schnap-
    per viele Assassinen, die ihrer Arbeit mit Stil nachgingen und dabei
    bestimmte Regeln beachteten.
    Diese Männer waren Killer. Der Große mit den weißen Pulverspuren
    an der Jacke und dem Mottenkugelgeruch war einfach nur ein skrupel-
    loser Schurke, kein Problem; aber der kleine Bursche mit den strähni-
    gen Haaren roch nach gewaltsamem und gehässigem Tod. Man sah
    nicht oft jemandem in die Augen, der einfach nur deshalb tötete, weil er
    es zum betreffenden Zeitpunkt für

Weitere Kostenlose Bücher