Die Voodoo-Witwe
feiern.«
»Oh, das wußte ich nicht.« Mit dieser Antwort hatte ich nicht einmal gelogen.
»Es ist eine karibische Nacht, John. Da gehört das einfach dazu. Oder meinst du nicht?«
»Ich bin mir nicht sicher…«
»Aber du kennst den Voodoo-Zauber?«
»Nein, nicht direkt…«
»Du lügst«, flüsterte sie. »Du bist ein ganz erbärmlicher Lügner. Natürlich weißt du Bescheid. Das sehe ich dir an, das spüre ich sogar. Du versteckst dich - weshalb nur?«
»Ich weiß es nicht. Aber Voodoo ist nicht mein Fall. Gehören da nicht Beschwörungen dazu?«
»Und ob.«
»Auch lebende Leichen, hörte ich.«
»Stimmt. Die Gräber öffnen sich, die Toten verlassen die feuchte Erde, um die Lebenden zu besuchen.«
Ich lachte leise. »Ein tolles Thema haben wir hier. Und das alles zu weicher Bluesmusik.«
»Ich wollte dich nur vorbereiten.« Ihre Finger kreisten auch weiterhin durch mein Nackenhaar. Sie tanzte noch immer sehr eng und bewegte sich dabei von links nach rechts, um ihre Brust über meinen Körper gleiten zu lassen.
Mehr als einmal hob sie ein Bein höher an, als es erforderlich gewesen wäre, und die Innenseite meines Schenkels bot ihr die perfekte Reibungsfläche.
»Worauf wolltest du mich denn vorbereiten? Auf die lebenden Leichen, die Zombies?«
»Meinst du?«
»Ich bitte dich, Surenuse. Wo sollen hier denn lebende Leichen herkommen?«
»Rate mal«, hauchte sie und kitzelte mit ihrer Zungenspitze mein rechtes Ohr.
»Ich weiß es nicht. Vielleicht aus dem Wasser?«
»Welch eine Frage, John. Nein, bestimmt nicht. Aber ich liebe den Voodoo-Zauber. Weißt du eigentlich, wie man mich nennt?«
»Wie sollte ich?«
»Man hat mir den Namen Voodoo-Witwe gegeben, John. Interessant, nicht wahr?«
»Zumindest ungewöhnlich.«
Sie knabberte weiter an meinem Ohr und sprach dabei noch.
»Voodoo ist alles für mich.«
»Jeder hat sein Hobby.« Ich riß mich mit Gewalt zusammen, um ihr nicht vollends zu verfallen, schaute in die Höhe und sah, wie sich die bunten Lichter über mir in der leichten Brise bewegten. Alles war perfekt, so romantisch, hätte wunderbar sein können, nur paßte das Thema nicht zu dieser Stunde.
»Es ist kein Hobby, John, es ist eine Leidenschaft, verstehst du? Und es ist mein Leben.«
»Seit wann?«
»Schon immer.«
»Hat dein Mann auch so gedacht?«
»Er ließ mir meine Freiheiten. Das haben wir abgemacht. Jeder von uns ist seinen Hobbys nachgegangen.«
»Sehr löblich, aber Voodoo ist ein außergewöhnliches Hobby. Ich habe noch keine Frau bisher kennengelernt, die sich damit beschäftigt. Man muß sehr viel wissen, nehme ich an.«
»Stimmt, ich weiß es auch. Ich kann beschwören. Ich kenne die alten Zeichen, ich kenne die Ingredienzien, die wichtig sind, um die Geister der Erde zu wecken. Ich bin fast eine Meisterin, denn ich hatte einen guten Lehrmeister.«
»Aber nicht deinen Mann?«
»Nein, wo denkst du hin?«
»Wen dann?«
»Einen alten Priester. Ich lernte ihn in Port-au-Prince kennen. Er hat mich in die Geheimnisse dieses Kults eingeweiht. Es hat Jahre gedauert, das sage ich dir.«
»So alt bist du nicht!«
Da lachte sie laut auf. »Du Schmeichler«, rief sie. »Mein wahres Alter verrate ich nicht…«
Mit einem letzten Stöhnen beendete die dunkelhäutige Sängerin ihren Song, und es war so, als würden die Gäste aus einem Traum erwachen und sich zunächst verwirrt zeigen. Dieser Tanz hatte tatsächlich die Emotionen angeheizt.
Davon konnte keiner verschont bleiben, ich eingeschlossen. Ich schwitzte mehr, als ich mir hätte zugestehen wollen.
»Danke sehr«, sagte die Sängerin, »gönnen Sie der Band und mir eine kurze Pause.«
Keiner widersprach. Es fiel auch nicht weiter auf, denn die Musik lief jetzt vom Band.
Surenuse zog mich in den Schatten des Niedergangs. Wir gingen nicht unter Deck, wie es einige Pärchen taten, sondern blieben stehen. Von einem Tablett nahm die Gastgeberin zwei Drinks. Ein kaltes Glas drückte sie zwischen meine feuchten Finger.
»Cheers sagt man doch bei Ihnen.«
»Ja, cheers.«
Der Drink erfrischte. Ananas, Limonen, etwas Rum und Eis waren miteinander verquirlt worden. Ich trank in kleinen Schlucken und schaute die Frau vor mir an, die mit ihren zahlreichen Reifen spielte, die an beiden Handgelenken klimperten.
»Du hast doch etwas auf dem Herzen, John.«
»Stimmt.«
»Und was?«
Ich gab mich etwas verlegen und hob auch die Schultern. »Weißt du, es ist so, wir haben ja über Voodoo gesprochen, und ich muß dir
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