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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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zu ihrem Platz in der Ecke und holte ein altes, schweres Buch aus dem Regal. «Nun ist aber genug gerechnet, Mister Einstein. Joy-Michelle, du kannst auch aufhören. Wir wollen es ja nicht übertreiben mit dem Arbeiten.»
    Mann, ist die Frau Klasse, dachte Mattis und grinste. Nun klappte sie den dicken Schinken auf, er hatte sicher mehr alsdreihundert Seiten und schien wirklich alt zu sein, wie eine Bibel oder so.
    «Ich möchte mit euch noch ganz was Spannendes machen. Etwas Unheimliches, das mit der Gegend zu tun hat. Wisst ihr denn eigentlich, wie die Gegend hier heißt?»
    Joy-Michelle meldete sich flink. «Bad Meinberg!»
    «Ja», sagte die Lehrerin halb zustimmend. «Aber wie heißt die Landschaft drum herum?»
    «Teutoburger Wald», sagte Mattis ziemlich lässig, ohne zuvor den Finger gehoben zu haben.
    «Richtig, Mattis. Und das Tolle am Teutoburger Wald sind – neben der schönen Natur, über die wir auch noch reden werden – die alten Sagen und Legenden.»
    Nun drehte sie das Buch um und zeigte das aufgeschlagene Bild. Mattis war kein Weichei, trotzdem zuckte er kurz zusammen. Da war ein Teufel zu sehen. Nicht so ein dünner, roter Typ mit Hörnern, Schwanz und Pferdefuß, sondern ein Teufel, wie er ihn in der letzten Nacht vor seinem Fenster gesehen hatte. Er war dunkellila und hatte einen ziemlich breiten Oberkörper. Das Gesicht war vornehm und streng. Mattis hätte vielleicht gar nicht erkannt, dass es ein Teufel sein sollte, wenn ihm seine Mutter nicht in der Dunkelheit zugeflüstert hätte: «Schau, der Wacholderteufel.» Er hatte noch halb geschlafen, und heute Morgen war er sich noch nicht einmal sicher gewesen, ob es nicht doch ein schlechter Traum gewesen war. Und nun las er unter dem Bild in so einer altmodischen Schrift etwas, das ohne weiteres auch
Wacholderteufel
heißen konnte.
    «Schaurig, nicht wahr?», sagte die Lehrerin.
    Joy-Michelle rückte weiter nach vorn. «Was ist das?»
    Die Lehrerin machte ein geheimnisvolles Gesicht und spitzte die Lippen. «In ein paar Tagen ist die Wintersonnenwende. Das bedeutet, dass am 21.   Dezember die längste Nacht und der kürzeste Tag ist.»
    «Winteranfang», sagte Mattis, ohne sich zu melden.
    «Richtig. Und viele Menschen, vor allem die alten Germanen, die vor sehr langer Zeit hier gelebt haben, glaubten, dass in dieser Nacht etwas Besonderes passiert. Angeblich sollen die Tore zur Geisterwelt für zwölf Tage offen stehen.» Sie machte eine kurze Pause. Eine Gruselpause, wollte Mattis wetten, und verschränkte die Arme. «In diesen zwölf Tagen soll nach einer alten Sage an den Externsteinen der Teufel persönlich aus der Tiefe hinaufsteigen und sich in Gestalt eines Menschen unter die Lebendigen mischen.»
    «Das glaube ich aber nicht!», nervte Joy-Michelle.
    «Sei mal still», sagte Mattis.
    «Und er soll sich in den zwölf Tagen eine schöne Jungfrau gesucht haben, die dann in Liebe zu ihm entbrannte und bald darauf ein Kind von ihm bekam. Die Seele der Frau war dann für immer verloren.»
    In Liebe entbrannte, die Seele verloren   … Mattis mochte solche komischen Schmachtfetzenworte eigentlich nicht, aber das hier klang spannend. Und war allemal besser als Mathe oder der Unterricht zu Hause.
    «Die Menschen hier im Teutoburger Wald wollten dies natürlich verhindern, und so machten sie Feuer mit dem Geäst des Wacholderstrauches, weil dieser dem Glauben nach böse Geister und Krankheiten austreiben sollte. Jedoch ist es ihnen nicht immer gelungen, und so kommt es, dass noch heute die Kinder des Teufels hier in der Gegend leben. Sie werden die Wacholderteufel genannt.»
    «Das ist aber jetzt nur ein Märchen, oder?», fragte Joy-Michelle und wickelte sich eine Haarsträhne um den Zeigefinger. Die kleine Streberin hatte ganz vergessen, sich brav zu melden, freute sich Mattis.
    «Natürlich ist das nur ein Märchen, oder besser: eine Sage. Ich erzähle sie auch nicht, um euch Angst einzujagen, sondernweil hier übermorgen ein großes Fest zur Wintersonnenwende gefeiert wird und wir dort, wenn ihr Lust habt, ein kleines Stück aufführen wollen.»
    Jede Sache hatte einen Haken, stellte Mattis wieder einmal fest. Keine Schauergeschichte, ohne dass eine Aufgabe daran geknüpft war, die wahrscheinlich mit Auswendiglernen und albernen Verkleidungen zu tun hatte.
    «In Detmold hat vor zweihundert Jahren ein ganz bekannter Theaterautor gelebt, er hieß Dietrich Grabbe, einige haben ihn den deutschen Shakespeare genannt. Und er hat ein Stück über

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