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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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den Wacholderteufel geschrieben, welches wir übermorgen aufführen möchten.»
    «Ich spiel die schöne Jungfrau», sagte Joy-Michelle natürlich. «Und Mattis ist der Teufel.»
    «Dann musst du dich in mich verknallen.»
    «Macht nichts, ist ja nur Spiel.»
    «Ich habe die Teufel heute Nacht vor meinem Fenster gesehen», sagte Mattis dann.
    «Klar doch», lästerte Joy-Michelle.
    «Ohne Lüge! Da stand so ein lilafarbener Typ rum, neben ihm Männer in Geisterkostümen. Die haben Radau gemacht, und meine Mutter und ich sind aufgewacht.»
    «Du spinnst ja! Es gibt die gar nicht in echt!»
    «Und wenn ich sie nun mal gesehen habe?»
    Frau Möller ließ sie noch ein bisschen zanken, dann klappte sie das Buch zu und legte es zurück ins Regal. «Wir werden heute Nachmittag einen Mann besuchen, der sich sehr gut mit diesen Geschichten auskennt und das kleine Theaterspiel inszeniert. Er ist der Vorsitzende eines Vereins, der übrigens
Die Wacholderteufel
heißt und das Fest zur Wintersonnenwende organisiert. Treffen wir uns um zwei Uhr am Klinikeingang?»
    Joy-Michelle nörgelte. «Haben wir etwa auch nachmittags Schule?»
    «Ist doch cool», meinte Mattis.
    Frau Möller kramte nun ein Buch aus ihrer Tasche, auf dem «Diktate üben» stand, und legte es vor sich auf den Tisch. «Wartet mal ab. Der Mann ist von Beruf Zimmerer, und er baut große Räder, die beim Fest in Brand gesteckt werden. Auch eine alte Tradition. Ich bin sicher, der Besuch in der Werkstatt von Herrn Brampeter wird für euch interessant sein. Und nun holt eure Schreibhefte heraus. Erst noch ein bisschen Arbeit, dann das Vergnügen!»

8
    Eine Couch oder ein Sessel oder ein Stuhl. Sicher hatte es für Ilja Vilhelm schon eine Bedeutung, für welche Sitzgelegenheit Wencke sich bei ihrer ersten Therapiestunde entschieden hatte. Sicher sprach es Bände, dass sie auf dem vergleichsweise unbequemen Stuhl Platz nahm.
    «Frau Tydmers», begann er und setzte sich ihr gegenüber hin, blickte ihr in die Augen und lächelte. «Frau Tydmers, Polizistin aus Aurich, soso.»
    Wencke fummelte am Reißverschluss ihrer Strickjacke herum.
    «Vermissen Sie Ihren Job schon?», fragte Vilhelm.
    «Ja, zugegeben, ein wenig.»
    «Für einen solchen Beruf entscheidet man sich ja nicht aus Jux und Dollerei. Das muss man wirklich wollen. Ihren Einweisungsbelegen entnehme ich, dass Sie die Mordkommission leiten. Mit Mitte dreißig, alle Achtung. Das spricht auch dafür, dass Sie eine zielstrebige Person sind.» Er lehnte sich zurück. «Und nun kommt ein Baby. Passt Ihnen das ins Konzept? Nein,nein, nicht misstrauisch werden, ich stelle jeder Kurteilnehmerin diese Frage.»
    Wencke ließ den Reißverschluss los und beugte sich vor. Sie fühlte sich stark an die Situation eines Verhörs erinnert. Zwei sich gegenübersitzende Menschen, von denen der eine beim anderen etwas herauskriegen will. Nur, dass sie für gewöhnlich den anderen Part übernahm. Hier sollte
sie
zum Reden gebracht werden.
    Er durchblätterte mit seinen schlanken Fingern einen Schnellhefter. «Sie sind inzwischen im fünften Monat. Vor kurzem hatten Sie einen Kreislaufkollaps. Ihr Arzt schreibt, Sie sind nicht bereit, ein wenig kürzer zu treten. Warum, Frau Tydmers? Haben Sie Angst um Ihren Job?»
    Sie schwieg.
    «Es wäre ganz normal, wenn es so wäre. Schließlich haben Sie sich ganz kontinuierlich eine Karriere aufgebaut. Und nun sollen Sie Mutter werden, sollen sich schonen, sollen – was in Ihrem Job sicher nicht so gefragt ist – die weibliche Seite Ihres Wesens pflegen. Fällt Ihnen das schwer?»
    «Ja, natürlich fällt mir das schwer. Wissen Sie, was ich in Aurich zurückgelassen habe? Ein kleines Mädchen, tot im Hafen eines malerischen Sielortes. Wahrscheinlich von den eigenen Eltern zu Tode geprügelt und dann im Wattenmeer entsorgt wie ein Sack Restmüll. Warum sollte ich bei solchen Geschichten meine weibliche Seite pflegen, wie Sie es so schön nennen?»
    Er verzog keine Miene. Ilja Vilhelm machte seine Sache ausgezeichnet. «Weil Sie eine Frau sind», sagte er schlicht.
    Nun wurde es doch etwas hart auf dem Stuhl, Wencke rutschte hin und her. Sicher, wenn sie eine Verdächtige wäre, würde dieses Gewackel höchst bedenklich erscheinen. Menschen, die nicht still sitzen können, haben etwas auf dem Kerbholz. Sie bemerkte zudem, dass sie schon seit geraumer Zeitden Reißverschlussanhänger ihrer Strickjacke in den Händen hielt und hektisch daran herumfingerte. Als hätte sie eine Wut in sich, die

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