Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
Vom Netzwerk:
sagte der Junge.
    Stefan Brampeter holte tief Luft.
Wer’s glaubt, wird selig
. Genau das hätte sein Bruder in diesem Moment auch gesagt.

10
    Nina Pelikan hockte im Schneidersitz auf der Parkbank und hielt eine ausgerissene Zeitungsseite in der Hand. Sie schien nicht wirklich zu lesen, und als sie bemerkte, dass Wencke auf sie zukam, wischte sie sich hastig ein paar Tränen aus dem Gesicht. Doch auch ohne feuchte Wangen war nicht zu übersehen, dass sie geweint hatte. Aus welchem Grund sollte man sonst auch freiwillig bei graukaltem Wetter im verlassenen Kurpark hocken und lesen oder spazieren gehen, wenn es einem nicht gerade richtig mies ging. Wieder einmal war Wencke hin und her gerissen. Weitergehen und eigene Probleme durchhecheln oder stehen bleiben und trösten.
    Was hatte Ilja Vilhelm eben noch in der Therapie zu ihrgesagt: «Wenn Sie nicht anfangen, sich Zeit für Ihre eigenen Sorgen zu nehmen, dann werden Sie wieder zusammenbrechen. Und dann wird es nicht nur der Kreislauf sein, der sich verabschiedet. Dann könnten es auch die Nerven sein, Frau Tydmers.»
    Natürlich hatte er Recht. In der vergangenen Dreiviertelstunde war so allerhand aus ihr herausgebrochen. Schlimme Dinge in ihrem Leben, die sie noch niemandem erzählt hatte. Alte Geschichten aus ihrer Familie, die Wencke längst wie einen abgeschlossenen Fall ganz hinten in ihrem Bewusstsein gelagert hatte. Es hatte wehgetan, sich an einige Sachen zu erinnern. Der Psychologe hatte ihr geraten, durch das
Silvaticum
zu spazieren und ein wenig an gar nichts zu denken. Und diese Vorstellung war ihr verlockend vorgekommen, trotz des Nieselregens. Bis Nina dort unglücklich mit verschränkten Beinen neben einem nordamerikanischen Ahornbaum saß.
    «Kann ich was für dich tun?», fragte Wencke und war im gleichen Moment sauer auf sich selbst. Ein dünner Kopfschmerzsignalisierte ihr, dass sie hätte vorbeigehen sollen. Sie setzte sich.
    Nina nickte, sagte aber nichts, reichte lediglich den zusammengefalteten Zeitungsabschnitt heraus, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
    Wencke faltete das Papier auseinander und überflog den Artikel. Es ging um eine junge Frau, die sich in der vergangenen Woche von den Externsteinen gestürzt hatte, eine Patientin der
Sazellum -Klinik
, schwanger und lebensmüde. Die Polizei befürchtete Nachahmungstäter. Wencke zerknüllte das Papier. «Was bedeutet das? Kanntest du die Frau?»
    Nina schüttelte den Kopf.
    «Interessierst du dich für Selbstmorde?»
    Nina zuckte die Schultern, es war nicht zu erkennen, ob die Geste ein Ja oder ein Nein bedeuten sollte.
    «Dann gibt es für dich keinen Grund, diesen Artikel mit dir herumzuschleppen.»
    Wencke warf den Papierball in den Abfalleimer neben der Bank. «Außer, dass sie in derselben Klinik untergebracht und schwanger war, gibt es doch wohl keinerlei Gemeinsamkeiten zwischen ihr und dir.»
    «Sie haben ihn mir zugesteckt», sagte Nina leise.
    «Wer hat was?»
    «Die haben mir den Artikel in die Jackentasche gesteckt, als ich bei der Massage war.»
    Wencke wäre fast ein grobes «Schwachsinn» rausgerutscht, welches angesichts der niedergeschlagenen Frau an ihrer Seite sehr unsensibel gewesen wäre. Sie schluckte die Zweifel hinunter.
    «Als ich zur Infrarotbestrahlung ging, habe ich meine Strickjacke an die Garderobe gehängt. Da war noch nichts in meiner Tasche. Und nach der Rückenmassage kam ich aus der Kabine und fand diesen Wisch.»
    «Dafür gibt es eine plausible Erklärung, möchte ich wetten. Vielleicht hat einer die Klamotten vertauscht, wollte die Zeitung bei jemand anderem verstauen und hat dann danebengegriffen. Hellblaue Strickjacken hängen doch hier in der Klinik an jeder Ecke.»
    «Ich bin mir sicher, die wollen mich fertig machen.»
    «Wer
die

    «Die Teufel von letzter Nacht.»
    Schon wieder wollte das unangebrachte Wort Wencke über die Lippen kommen. Stattdessen schaffte sie ein: «Meinst du nicht, du bist ein wenig   … übernervös?»
    «Natürlich bin ich nervös. Was meinst du denn? Ich habe in der Nacht kein Auge zugetan, obwohl ich, weiß Gott, hundemüde war, und dann finde ich am nächsten Morgen einen Zeitungsartikel über eine Selbstmörderin in meiner Tasche. Und dabei habe ich mir von der Kur endlich Ruhe erhofft.»
    «Warum sollte das der Teufel oder irgendjemand hier tun?»
    «Die wollen, dass ich auch springe.»
    «Entschuldige bitte, aber mit einem Zeitungsausschnitt hat meines Wissens noch nie jemand einen Menschen in den unfreiwilligen

Weitere Kostenlose Bücher