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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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nicht von jedem Sturm entwurzeln lässt.»
    «Und das Astloch?»
    «Wie? Ach das.» Vorsicht, dachte Wencke, doch sie sprach einfach weiter, als habe sie ihre eigene Warnung nicht gehört. «Da hat man mal was abgeschnitten, damit der Baum mehr Kraft hat, nach oben zu wachsen.»
    «Eine Wunde also?»
    «Nein. Ja.»
    «Frau Tydmers, was hat man bei Ihnen denn mal abgeschnitten, damit Sie genug Kraft zum Wachsen hatten?»
    «Meinen Vater», sagte Wencke. Das war ohne ihr Einverständnis geschehen, die letzten beiden Wörter waren eigentlich sicher verschlossen gewesen. Noch nie hatte sie sich dazu hinreißen lassen. Wann hatte sie als Erwachsene jemals über ihren Vater gesprochen? Abgesehen, wenn sie nach ihrem Lebenslauf gefragt worden war und unter der Rubrik «Eltern» seinen Namen und Beruf angegeben hatte. Claus-Peter Tydmers, Verwaltungsfachangestellter.
    Sie ließ sich in den Sessel fallen. «Es sei besser für mich, ihnnicht zu kennen. Er sei ein Langweiler, ein Spießer, ein intoleranter Mann mit Hang zum Oberlehrerhaften. Er würde mich in meiner Entwicklung nur bremsen.»
    «Und Sie haben diese offensichtlich subjektive Meinung nie hinterfragt?»
    «Meine Mutter ist keine Person, deren Meinung man in Frage stellt. Sie hat mir auch einige Ersatzväter präsentiert, immer mit dem Vermerk, dass diese liebevoller und offener und in jeder Beziehung väterlicher als mein wahrer Erzeuger seien.»
    «Und? Kennen Sie ihn?»
    «Nein. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich zwei Jahre alt war. Inzwischen ist er gestorben. Vor ein paar Jahren, als ich noch Streife gefahren bin. Ich habe ihn verpasst.»
    Vilhelm trat ans Bild und umkreiste mit dem Zeigefinger das Astloch. «Tut es Ihnen Leid?»
    Wencke antwortete nicht.
    «Oder macht es Sie wütend?»
    «Nein. Ja. Beides.»

19
    Das Holzlager war im Wald versteckt, mit einem gewöhnlichen Pkw kam man nur auf einen halben Kilometer heran, danach brauchte man ein geländegängiges Fahrwerk, um den aufgeweichten Waldboden zu bewältigen.
    Stefan Brampeter war mit dem Rad gekommen, welches er schon am Eingang des Naturschutzgebietes gegen einen Stapel Tannenstämme gelehnt hatte, um zu Fuß weiterzugehen.
    Das Nieselwetter der letzten Wochen hatte selbst die sonsteinigermaßen festen Trampelpfade zu morastigem Matsch werden lassen. Die Stiefel sogen sich bei jedem Schritt in die braune Erde, er musste Kraft aufwenden, um sie wieder herauszuziehen. Immer wieder tropfte es dick und nass von den Bäumen, die sich über Stefans Kopf zu einem undichten Dach aus kahlen Ästen und dem Rest brauner Blätter verwoben. Auf den borkigen Stämmen der Erlen und Buchen lag die Feuchtigkeit des letzten Herbsttages. Stefan streifte das spitze Blatt einer Stechpalme und zerriss dabei ein mit Feuchtigkeit benetztes Spinnennetz, das aussah, als hätte die Schöpferin glänzende Perlen eingewebt. Die Spinne mochte sich jedoch schon vor Wochen zum Überwintern in den Nischen des Waldbodens verkrochen haben. Schon morgen zeigte der Kalender die Sonnenwende an. Den Beginn des Winters. Bald würde der ganze zerflossene Wald wieder fester werden, wenn der Frost nur erst das Wasser erstarren ließ und alles mit einer Eisschicht glasierte.
    Der Waldboden klebte zentimeterhoch an den schweren Stiefeln, als er endlich am dunkelgrünen Wellblechschuppen ankam. Das Lager des Forstamtes passte so gar nicht in das verwachsene Dickicht, mit seinen metallenen Kanten und Ecken schien es sich den Platz dort am Hang mit unlauteren Mitteln erworben zu haben.
    Stefan zog den Schlüssel aus der Tasche seines Anoraks. Mehrere Dutzend gerader Eichenstämme sollten hinter der Hütte gelagert sein. Stefan wusste, es gab fast nirgendwo besseres Holz als in den Wäldern seiner Heimat. Nicht von ungefähr standen in dieser Gegend zahlreiche Fachwerkhäuser, teils über zweihundertfünfzig Jahre alt, in wunderschönem Schwarz-Weiß kariert, als wären sie erst gestern in die grünen Täler gebaut worden. Vielleicht waren die Inschriften im Türbogen bei einigen verwittert und es bereitete Mühe, die Namen der Hausherren, das Baujahr und den Bibelspruch darauf zuerkennen. Doch wäre es Holz aus einem anderen Teil der Welt gewesen, dann hätten die Jahre rein gar nichts mehr vom Gebäude übrig gelassen. Stefan Brampeter glaubte fest daran, dass jedem Ort das Holz am besten steht, welches vor den Stadttoren wächst. Tropenhölzer wie Afzelia und Bongossi waren ihm, gelinde gesagt, egal, doch für ein gutes Stück hiesige

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