Die Wacholderteufel
Roteiche konnte er regelrecht ins Schwärmen geraten.
Mit einem Ruck musste er nachhelfen, dann öffnete sich die leicht verzogene Tür, und er trat in die kleine Halle, in der es noch intensiver nach Holz roch als in seiner Werkstatt. Hier wurden die Stämme bearbeitet, bevor sie in dem eingezäunten Bereich hinter der Hütte gelagert wurden. Das Holz, welches in diesem Raum gesägt und zerteilt wurde, schien noch zu leben, zu atmen, jedenfalls war die Luft erfüllt von einem warmen, harzigen Aroma.
Stefan fand auf dem voll gestellten Schreibtisch den Zettel.
Brampeter Holz hinten links,
stand darauf. Er trat durch die Hintertür wieder ins Freie.
Rotweißes Plastikband,
stand da auch noch. Stefan hatte die ihm zugedachte Ladung bald ausgemacht. Er rieb mit den Handflächen über die Rinde, die kaum Astlöcher vorwies. Er strich leicht an der Schnittseite entlang, das Holz hatte eine angenehme Helligkeit, und die Jahresringe waren gleichmäßig, als hätte sie jemand mit dem Zirkel gezogen. Stefan maß mit dem Auge die Dicke des Kernholzes, denn nur den inneren Teil des Ganzen konnte er für seine Zwecke gebrauchen. Es war wunderbare Qualität. Schon auf den ersten Blick wusste er, dass es ein gutes Geschäft sein würde. Er kannte die Preise des Forstamtes; sie waren angemessen und erschwinglich. An der Seite hing ein Brief, sein Name stand auf dem Papier. Vielleicht war dies schon das Angebot über die ganze Fuhre. Er zerriss das Kuvert mit dem Daumennagel. Mit Bleistift hatte der Leiter des Forstamtes ein paar Zeilen auf ein Stück Papier gekritzelt:
Hallo, Stefan,
ich denke, das Holz wird dir gefallen. Ich kann es dir komplett für 850 Euro pro Festmeter geben. Das bleibt aber unter uns – Freundschaftspreis –, ich würde auf dem freien Markt einiges mehr bekommen. Bei der Gelegenheit: Für eure Feier morgen Abend brauchst du noch den Schlüssel zu den Externsteinen. Du findest ihn am Schlüsselbrett über dem Telefon. Der Anhänger ist blau. Lass ihn vorerst noch hängen, wir haben derzeit nur zwei Stück davon und es könnte sein, dass einer meiner Männer ihn morgen noch braucht. Gib ihn bitte nicht an Dritte weiter. Aber ich weiß, ich kann mich auf dich verlassen. Wegen des Holzes telefonieren wir nächste Woche.
Gruß, Achim
Stefan ging wieder hinein und warf einen Blick zum Telefon. Er konnte den Sicherheitsschlüssel mit dem blauen Anhänger am Bord hängen sehen. Wie gut, dass Achim daran gedacht hatte. Die Externsteine waren seit Jahren schon für Unbefugte gesperrt. Nur zu den festen Öffnungszeiten schlossen die Angestellten des Forstamtes die Gittertore an der Treppe auf, zeitgleich mit dem Kassenhäuschen. Bevor die Anlage auf diese Weise gesichert wurde, hatte sich immer wieder Gesindel dort oben aufgehalten. Obdachlose hatten in der Höhenkammer übernachtet, immer öfter musste man leere Flaschen und Essensreste forträumen, einmal sogar Spritzbesteck. Mehrmals hatten Unbekannte Feuerstellen hinterlassen. Eine Sauerei, der man leider nur entgegentreten konnte, indem man den Zugang sperrte.
Morgen brauchte Stefan jedoch die Externsteine für das Spektakel zur Wintersonnenwende. Er hatte sich für das Theaterstück eine geniale Szene überlegt, bei der der Wacholderteufel persönlich erscheinen sollte, als gäbe es eine direkte Verbindung zwischen Hölle und Felsen. Der Schauspieler solltevon ganz oben herabkommen, ausgeklügelte Beleuchtung und Effekte würden dem Ganzen eine überirdische Atmosphäre verleihen. Stefan wollte sich gleich morgen Nachmittag den Schlüssel holen, damit die Jungs von der Technik die Strahler und Nebelmaschinen montieren konnten. Da fiel ihm ein, dass der Förster hinter dem Schuppen für gewöhnlich neben dem Holz auch ein Arsenal an Leitern und Gerüsten aufbewahrte. Er hatte bislang noch gar nicht daran gedacht, diese Ausrüstung vielleicht direkt von hier mitzunehmen. Eigentlich wollte Konrad Gärtner, der als Maler arbeitete, einiges anschleppen, doch wenn diese Sachen bereits hier lagerten, könnte man sich eine Menge Plackerei ersparen. Er trat wieder zwischen die aufgetürmten Baumstämme und schaute sich um. Hinten war eine überdachte Nische, wenn er sich nicht täuschte, war dort ein Großteil der Ausrüstung versteckt. Es wäre besser, genau nachzusehen, was dort hinten vorrätig war. Die Stiefel waren eh verdreckt, der Gang zum Zaun würde nicht mehr viel Schaden an seiner Montur anrichten. Stefan rutschte zum Zaun, tatsächlich
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