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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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mit der flachen Hand auf den Rücken.
    «Sie ist ja ein Bad Meinberger Kind, die Janina. Und sie hat wohl auch ihren Sohn mitgebracht, munkelt man   …»
    Wencke trank einen Schluck Kaffee gegen den andauernden Hustenreiz.
    «Das ist der Sohn vom toten Brampeter.»
    Jetzt hörte Wencke nur noch zu. Sie hatte längst schon gemerkt, dass sie hier am meisten erfuhr, wenn sie nichts sagte.
    «Der Ulrich, eigentlich ein feiner Junge, den hat sie damals in Detmold einfach so über den Haufen gefahren. Sagt man zumindest. Beweisen konnte man es ja nicht, dass es kein Versehen war. Aber hier in Bad Meinberg denkt jeder, sie hat sich an ihm rächen wollen.»
    Die Frau schüttelte den Kopf und ging Richtung Küchentür. Jetzt bloß nichts sagen, dachte Wencke. Sie wird sich die Chance nicht entgehen lassen, auch den Rest zu erzählen. Dass sie nun so tut, als habe sie noch etwas zu erledigen, ist nur Show. Sie will es sicher loswerden. Wencke rührte sich Zucker in den Cappuccino.
    «Wegen der Sache damals in Detmold. Weil er sie da mit reingerissen hat. Brandstiftung wollten sie ihr anhängen. Sie hätte angeblich den Molotowcocktail durch die Fensterscheibe geschmissen. Also die Janina Grottenhauer.»
    Jetzt ging die Frau tatsächlich in das andere Zimmer. Doch zum Glück sprach sie weiter. Wahrscheinlich inzwischen schon eher mit sich selbst als mit Wencke, die ja schließlich nur ein Gast war, eine Fremde, die sich eine Puddingschnecke einverleibte.
    «Ich glaube ja, die haben sie nur alle beschuldigt, weil sie die Jüngste war. Und die Einzige ohne Vorstrafenregister. Die hatten alle Flausen im Kopf, aber so ist das wohl bei den jungen Leuten. Und weil die Janina damals unter sechzehn war, konnte man sie strafrechtlich noch nicht belangen. Und da haben alle gesagt, sie wäre das mit dem Brandsatz gewesen.» Wencke konnte durch die offene Tür nicht nur alles gut verstehen, sie hatte die Frau auch im Blickwinkel. Diese belegte mit routinierten Handbewegungen Brötchen mit Schinken, Käse und Salatgarnitur.
    «Die ganze Gruppe hat einstimmig gesagt, die verletzte Ausländerin ginge auf Janinas Kosten. Nur das Mädchen selbst hat es abgestritten. Und wenn Sie mich fragen», nun schaute die Frau auf und blickte Wencke direkt an. Sie war sich also doch ihrer interessierten Zuhörerin bewusst. «Wenn Sie mich fragen, hat die Janina das auch nicht gemacht. Aber natürlich blieb diese Sache an ihr hängen. Und ich vermute mal, aber egal   …»
    Bitte red weiter, dachte Wencke.
    «Die
Wacholderteufel
…» Nach einem tiefen Seufzen schwieg die Verkäuferin. Sie trug die belegten Brötchen in den Laden, und Wencke beobachtete sie dabei, wie sie die appetitlichen Stullen in der Auslage platzierte. Dann betrat eine Kundin den Laden, die beiden begannen ausgiebig zu tratschen.
    Wencke hatte den Cappuccino und den Kuchen schon längst verputzt. Durch die Fensterscheibe sah sie den Polizisten, wie er vom Fahrrad stieg und das Vorderrad am Fahrradständer ankettete. Nun, wenn die Angestellte des singenden Bäckers beschlossen hat, mit einem Mal Diskretion walten zu lassen, dann besuche ich eben meinen sympathischen Kollegen gegenüber, dachte Wencke.
    Sie stand auf, ging zum Tresen hinüber, zahlte die Zwischenmahlzeit und legte, gewissermaßen für die Information, noch ein vergleichsweise üppiges Trinkgeld dazu.
    Die Frau freute sich. «Heute Abend singt mein Chef bei der Wintersonnenwende an den Externsteinen. Kommen Sie auch?»
    «Ja, natürlich», antwortete Wencke. «Und der Sohn von Frau Grottenhauer wird auch dabei sein. Er spielt ein Teufelskind!»
    Die beiden Bad Meinbergerinnen starrten sie mit offenen Mündern an. Der Kundin entfuhr ein «Ausgerechnet!».
    Wencke verließ mit freundlichem Gruß die Bäckerei. Egal, wo immer sie in den fünfunddreißig Jahren ihres Lebens gewohnt hatte, noch nie hatte sie sich am Dorftratsch beteiligt. Vor allem: Noch nie war sie eine von denjenigen gewesen, die etwas richtig Interessantes dazu beizutragen hatten. Aber jetzt, als die beiden Damen ihr hinterherschauten, wie sie Richtung Polizei marschierte, da fand sie es richtig aufregend, einmal ganz kurz in diese Rolle geschlüpft zu sein.

23
    «Wer oder was sind oder waren denn die
Wacholderteufel
?», fragte die netteste Besucherin, die Norbert Paulessen sich an diesem Morgen in seinem Büro nur wünschen konnte. Er hatte gerade die Regenhose ausgezogen und zum Trocknen über die Heizung gehängt, als die rothaarige Schwangere die

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