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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Und das haben Sie doch mit Sicherheit in Ihrem Job gelernt.»
    «Das kann jeder gemacht haben!», verteidigte sich Wencke. Was war hier eigentlich los?
    «Sie waren scharf auf Informationen über Nina Pelikan. Und genau diese Unterlagen sind verschwunden.»
    «Aber   …»
    «Und Ihre eigenen. Na klar, weil Sie nicht wollen, dass sie bei der Untersuchung des Einbruchs jemandem in die Hände fallen. Ihren hiesigen Kollegen zum Beispiel. Da haben Sie Ihre Akte einfach mitgenommen.»
    «Das ist ausgemachter Blödsinn! So etwas mache ich nicht!»
    «Nein?», hakte Vilhelm nach. «Auch nicht, wenn Sie wütend sind? Sich unverstanden und unbeachtet fühlen?»
    «Was meinen Sie?»
    «Ich erinnere mich an Ihren Ausbruch gestern in der Sitzung. Da haben Sie mit Ihrer ausladenden Handbewegung schon mal demonstriert, dass Sie unter Stress ganz gern Verwüstungenanrichten.» Seine Vorgesetzte schaute ihn fragend an, und er setzte erklärend hinzu: «Frau Tydmers hat etliche Papierstapel zu Boden gefegt, als ich mich weigerte, über den Fall Nina Pelikan zu reden!»
    Das war unverschämt und verdrehte die Wahrheit. Wencke merkte, dass sie wieder in dieses flache Atmen verfiel. Das war das Letzte, was nun passieren durfte – von der Wut im Bauch beherrscht zu werden. Sie musste in diesem Moment einen klaren Kopf bewahren. Kurz schloss sie die Augen, versuchte, sich zusammenzureißen. «Und das war alles? Deswegen trauen Sie mir zu, dieses dilettantische Chaos verursacht zu haben?» Zum Glück blieb die Stimme einigermaßen fest und gab nichts von dem Brodeln in ihrem Inneren preis, sie wagte es sogar, ein wenig Spott hinzuzufügen: «Wäre dies ein Verhör, würde ich sagen: Dünne Beweislage, Herr Kollege!»
    Viktoria Meyer zu Jöllenbeck musste Acht geben, als sie sich mit ihren hochhackigen Schuhen einen Weg durch die Papierberge bahnen wollte. Sie schaute ernst und zog dabei ihre rot bepinselten Lippen nach unten. «Außerdem haben wir das hier gefunden.» Sie hielt etwas in der Hand, kam auf Wencke zu, erst da konnte sie erkennen, dass es ihr Kurbüchlein war. Das kleine gelbe Heft, welches man als Patient zu jeder Sitzung mitzubringen hatte, in dem alle Termine aufgelistet standen und bei den Behandlungen abgehakt wurden. Bei allem Durcheinander in Wenckes Welt, in diesem Fall wusste sie hundertprozentig, sie hatte das Buch nach der Massage heute Morgen auf ihr Bett gelegt. Wie um alles in der Welt kam es nun in Ilja Vilhelms Therapieraum?
    «Das hat jemand aus meinem Zimmer genommen. Hier will mir einer was andichten», sagte Wencke.
    Vilhelm schnaubte. «Machen Sie sich doch nicht lächerlich!»
    «Aber   …» Natürlich klang es nach einer verdammt faulenAusrede, wenn sie sich jetzt auf eine Verschwörungstheorie versteifte. Eigentlich half nur die Flucht nach vorn. Und schließlich war sie es doch, die hier eigentlich mit Vorwürfen um sich werfen wollte. Wie konnte sich das Blatt so schnell wenden? Nein, nicht mit mir, dachte Wencke. «Dr.   Vilhelm, es ist mir egal, was Sie oder sonst wer hier zu inszenieren versuchen. Ich würde viel lieber wissen, warum Sie nicht erwähnt haben, dass Ihnen Nina Pelikan keine Unbekannte ist.»
    «Nun lenken Sie mal nicht vom Thema ab. Fakt ist   …»
    «Vor elf Jahren wurde genau über diese Frau in Ihrem psychologischen Institut ein Gutachten angefertigt. Und ich denke, es war ein durchaus relevanter Fall, immerhin ging es um eine Jugendliche, die von ihren Freunden zu Unrecht beschuldigt wurde, einen Brandsatz gezündet zu haben. Die Akte von Janina Grottenhauer lag auf Ihrem Tisch. Sie können mir nicht weismachen, dass Sie diesen Zusammenhang nicht schon längst erkannt haben.»
    Er strich sich mit einer zackigen Bewegung die blonden Haare aus dem Gesicht, doch als er anschließend energisch den Kopf schüttelte, fielen ihm die Strähnen wieder in die Stirn. «Was reden Sie da eigentlich? Dieses Wissen können Sie nur haben, weil Sie die Unterlagen von Frau Pelikan durchgesehen haben. Natürlich wusste ich davon, aber aus welchem Grunde sollte ich es Ihnen auf die Nase binden? Sie sind nichts weiter als eine Patientin, Frau Tydmers, sonst haben Sie hier keinen Auftrag!»
    Der smarte Psychologe konnte also richtig laut werden, wenn er sich in die Enge getrieben fühlte, stellte Wencke fest. Es verschaffte ihr einen enormen Auftrieb.
    «Wer fragt denn hier nach einem Auftrag? Angesichts der Tatsache, dass eine augenscheinlich depressive Patientin bereits seit zwei Tagen

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