Die Wacholderteufel
weiter oben hinsetzen? Dann würde der Nebel mehr heruntersinken. Das stelle ich mir besser vor, zumal der Wacholderteufel doch um den Ausguck herumläuft.»
Stefan schaute sich um. Wahrscheinlich hatte Achim nicht ganz Unrecht. Wenn der Schauspieler seinen kleinen, dramatischen Spaziergang um die Spitze des Felsens wagte, wäre ein Rauchschleier von oben sicher wirkungsvoller. Horst hatte schon reagiert, er hob den schwarzen Kasten auf den vorstehenden Stein, der wie ein kleines Dach über dem Sonnenfenster des
Sazellums
stand. «Müsste gehen», sagte er, während er mit einem Fuß auf der bröckeligen Steinbrüstung und mit dem anderen auf der Leiter balancierte.
«Mensch, Horst, pass auf!», rief sein Chef von unten. «Wenn du da runterknallst, siehst du aber nicht so manierlich aus wie die Frau von letzter Woche. Für Stürze von da oben würde ich dir lieber die Seeseite empfehlen.»
Horst wurde blass und zog sich auf die Leiter zurück. «Sehr witzig», sagte er leise. Stefan wusste, er war der Mann, der vor zehn Tagen die Selbstmörderin hatte retten wollen. Besonders sensibel war Achim wirklich nicht im Umgang mit seinen Leuten. Doch die Nebelmaschine stand nun sicher, wo sie hingehörte. Horst betätigte den Schalter am Kabel, und aus dem kleinen Rüssel am Kasten schwollen dicke Wolken hervor.
«Sensationell», war der Kommentar aus der Funke, und unten auf dem Rasen applaudierten einige Zuschauer.
«Jetzt ist es aber genug», meinte Stefan. «Packt die Sachen nach unten und passt auf die Stufen auf. Ist saurutschig hier!»
Horst trug gleich drei Leitern, er war ein kräftiger Kerl.
Konrad, der inzwischen vor den Strahlern blaue und rote Scheiben befestigt hatte, machte sich ebenfalls klar zum Aufbruch. «Meinst du nicht, wir sollten uns bei der Witterungdie Kletterpartie an der Außenwand sparen? Die Kälte hat die feuchten Steine ziemlich poliert, könnte ein gefährlicher Spaß für den Wacholderteufel werden.»
Stefan hatte auch schon daran gedacht. Er überprüfte noch einmal das Seil, welches am Metallgeländer befestigt war und an der anderen Seite einen Haken hatte. Mit dem würde der Mann, der um die Hüfte einen Gürtel trug, vor dem Sturz gesichert sein. «Da kann nichts passieren», entschied er schließlich. «Zudem hat der Wacholderteufel sich diesen kleinen Stunt ausdrücklich gewünscht. Er ist durchtrainiert und bestens vorbereitet. Heute Morgen hat er mit den Kindern hier vor Ort noch eine kleine Probe eingelegt. Es kann eigentlich nichts mehr schief gehen.»
Konrad schaute auf die Uhr. «Und warum ist er noch nicht da? In eineinhalb Stunden geht es los.»
Konrad hatte den Satz noch nicht ganz ausgesprochen, da stand er vor ihnen, bereits kostümiert, aber noch ohne Maske. Er musste es lautlos die vielen Stufen hinauf und über die gebogene Brücke geschafft haben. «Tut mir Leid, es gab noch Ärger im Büro, deswegen komme ich erst jetzt.» Als er sah, dass er Stefan und Konrad mit seinem Auftauchen einen richtigen Schrecken eingejagt hatte, lachte er. «Man könnte meinen, ihr wäret soeben dem Leibhaftigen begegnet!»
Stefan lachte mit. «Aber du hättest dir den Weg hinauf sparen können. Wir sind gerade fertig und packen alles zusammen. Dann wird unten abgeschlossen, damit kein Trottel bis zum Beginn etwas von unseren Specialeffects auseinander reißt.»
«Okay», sagte Ilja Vilhelm und drehte sich mit einem Schwung um, sodass sein lilafarbenes Gewand zu gewaltigen Vogelschwingen aufwallte.
26
Die Lehrerin fuhr ein schwarzes Auto. Sehr chic, im Sommer konnte man das Verdeck aufmachen, hatte sie erzählt, dann war es ein Cabrio. Die Sitze waren aus dunkelgrauem Leder und so schön vorgeheizt, dass Mattis ganz wohlig darauf herumrutschte. Er war noch nie in so einem Flitzer gefahren. Frau Möller war eine klasse Frau. Sie trat mit Schmackes auf das Gaspedal, und Joy-Michelle und er wurden tief in die Rückbank gedrückt, sodass sie kichern mussten.
Wäre da nicht diese Angst gewesen, diese schreckliche Sorge, dass mit Mama was nicht in Ordnung war, dann hätte er diese Fahrt im P S-Schlitten richtig genießen können. Zum Glück gelang es ihm manchmal, diese Gedanken zu vertreiben, und er erinnerte sich an Wenckes Versprechen, sie würden schon alles klären, würden Mama finden und alles wäre wieder okay. Er vertraute Wencke. Sie würde ihr Versprechen halten. Hundertprozentig.
Mattis war sehr aufgeregt. Gleich würde er seinen ersten großen Auftritt haben. Wie
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