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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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gekommen. Er wollte ausweichen, doch sie griff nach seinem Kinn, ihre weichen Finger legten sich um seine Wangen und drückten sie zusammen, sodass er eine komische Schnute ziehen musste. Die fremde Frau schob seinen Kopf von links nach rechts, sie blickte ihn ernst und eindringlich an. Er bekam es mit der Angst zu tun. Was war hier los?
    Dann breitete sich ein Lächeln auf dem Gesicht der Fremden aus. «Es ist Ulrich!», sagte sie, drehte sich zu einer Gruppe anderer Frauen um, die das Ganze neugierig beobachteten, und wiederholte: «Es ist Ulrich. Ihr hattet Recht!»
    Endlich kam Frau Möller zu ihm und griff ihn an der Schulter. «Wir müssen los, Mattis. Kommst du?»
    Die Frau ließ die Hand fallen, aber Mattis spürte noch immer das heiße Brennen ihrer Berührung, als hielte sie ihn weiterhin umklammert. Er lief mit Frau Möller zu den Steinen. Herr Brampeter stand am Eingang der unteren Kammer. Er hielt zwei heiß dampfende Kakao in seinen Händen und begrüßte Joy-Michelle und Mattis. Man sah ihm an, dass er nervös war.
    Mattis setzte sich auf einen Karton und trank den Kakao in kleinen Schlucken. Wer war Ulrich? Warum hatte diese Frauihn so genannt? Er kannte niemanden mit diesem Namen. Es war gruselig, dass die Alte ihn so seltsam berührt und betrachtet hatte. Alles war seltsam hier, die ganze Stimmung. Trotz des Kakaos war ihm schlotterkalt.
    Herr Brampeter bemerkte Mattis’ Zittern und legte ihm eine Wolldecke über. «Besser so?», fragte er freundlich. Mattis nickte. Doch als er aufblickte, wurde ihm erneut kalt vor Schreck. Da kam die dicke Frau schon wieder. Mühsam näherte sie sich Schritt für Schritt der Felsenkammer, in der die Mitwirkenden sich versammelt hatten und auf den Beginn des Festes in wenigen Minuten warteten.
    Was wollte die bloß? Mattis wandte sich ab, versuchte, die Decke ein Stück höher zu ziehen, damit sie sein Gesicht nicht zu sehen bekam. Am liebsten hätte er sich unsichtbar gemacht.
    Herr Brampeter stellte sich vor ihn, schützte ihn zum Glück. «Mutter, du bist hier?», hörte Mattis ihn sagen. «Du machst dich auf den Weg, bei der Kälte?»
    «Die Frauen haben mich mitgenommen.»
    «Welche Frauen?», fragte Herr Brampeter, und es klang gereizt. Er schien sich nicht gerade zu freuen, dass seine Mutter hier aufgetaucht war.
    «Die Frau aus der Bäckerei und ein paar ihrer Freundinnen. Sie haben angerufen und gesagt, ich müsse unbedingt zum Fest kommen, sie hätten eine Überraschung für mich.»
    Herr Brampeter machte einen Schritt zurück und wäre fast auf Mattis’ Fuß getreten. «Du hättest mir sagen sollen, dass du kommst», entfuhr es ihm.
    «Ich hab ihn gleich erkannt!», sagte die Alte.
    «Wen?»
    «Den Teufelsjungen. Er ist es! Das ist nicht zu fassen.»
    «Mutter, beruhige dich.»
    «Es ist Ulrichs Sohn, nicht wahr? Der kleine Teufelsjunge, ist er das Kind von meinem Ulrich?»
    Mattis dachte: Gleich ersticke ich. Hier unter der Wolldecke. Noch vor meinem Auftritt. Ich kann nicht mehr atmen. Ich werde hier sterben. Die dicke Frau. Sie sagt etwas von meinem Vater!

27
    Versprochen ist versprochen, Wencke Tydmers. Du hast Mattis fest zugesagt, nach seiner Mutter zu suchen, bei ihm zu sein, zu den Externsteinen zu kommen. Er wird enttäuscht sein, wenn du nicht da bist. Der arme Kerl.
    Er versuchte ständig, es zu verbergen, aber Wencke spürte genau, wie sehr Mattis seine Mutter vermisste und wie sehr seine Angst um sie ihn belastete. Also durfte nicht auch noch sie – Wencke – fehlen. Obwohl es Überwindung kostete, aufzustehen.
    Seit drei Stunden, genau genommen seit kurz nach dem Mittagessen, als sie sich für einen Moment hingelegt hatte, spürte sie ein Ziehen im Bauch. Die kleine Kugel unter der Brust spannte sich, als pumpe jemand Luft in sie hinein. Erst dachte sie, es seien vielleicht Kindsbewegungen. Immerhin hatte sie in den letzten Tagen mehrmals leichte Stöße und Rotationen in sich wahrgenommen, nicht mehr als ein Bläschengefühl, ein Schweben, vielleicht zu vergleichen mit – ach, im Grunde mit nichts zuvor Gefühltem. Aber es war nicht bedrohlich gewesen. Doch dieses Ziehen war nicht gesund. Das spürte Wencke genau.
    Sie schaute auf die Uhr. In zwanzig Minuten ging der letzte Transfer von der
Sazellum -Klinik
zu den Externsteinen. Dann würde sie zum Beginn des Festes ohnehin nicht mehr pünktlicherscheinen. Der Fahrdienst richtete sich jedoch bei seinem Einsatz nach den letzten Terminen, die die Patientinnen heute zu bewerkstelligen

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