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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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benutzen, den Sportplatzzum Kicken, sogar das Schulschwimmbad hatte er an manchen Tagen für sich allein gehabt, wenn Hartmut es reinigte und den Chlorgehalt im Wasser kontrollierte. Hartmut hatte immer alles gut im Griff gehabt, sein Chef, der Schuldirektor, hatte manchmal gesagt: «Wenn wir Sie nicht hätten, Herr Pelikan!» Dann war Hartmut ziemlich stolz gewesen. Alles war toll gewesen mit Mama, Hartmut und ihm. Solang Hartmut Arbeit hatte. Als er dann aber die Probleme mit dem Zucker bekam, hatte er seinen Job verloren. Und die Wohnung. Da hatte der Schuldirektor Hartmut nicht mehr gelobt. Dann war alles ganz anders geworden, als seine Mutter es sich vorgestellt hatte.
    «Was nuschelst du denn da die ganze Zeit?», fragte Joy-Michelle, die sich einen Taschenspiegel mitgenommen hatte, um das geschminkte Gesicht immer und immer wieder zu begutachten. Mattis hatte gar nicht bemerkt, dass er noch immer, tief in Gedanken versunken, seinen Text aufsagte.
    «Mein Vater aus den Steinen stieg zu führen einen alten Krieg. Zu lieben eine Jungfrau rein die wartend saß auf kaltem Stein», vollendete er. Joy-Michelle lächelte ihn an. Ihm wurde ganz warm im Gesicht.
    «Wir sind da», sagte Frau Möller und trat zeitgleich so zackig auf die Bremse, dass sich der Sicherheitsgurt für einen kurzen Moment über Mattis’ Umhang straffte. «Und jetzt wünsche ich euch allen, wie es unter Theaterleuten üblich ist: toi, toi, toi!» Sie spitzte ihren rot geschminkten Mund und tat so, als würde sie dreimal in Richtung Rückbank spucken.
    Dann stiegen sie aus. Sie waren noch früh dran. Erst in dreißig Minuten würde es losgehen, und dann standen zunächst auch noch ein paar andere Sachen auf dem Programm, bevor er und Joy-Michelle an der Reihe waren. Sie fanden dennoch nur einen hinteren Parkplatz, von dem aus sie eine ganze Weile latschen mussten. Es war sehr kalt geworden, zum Glück hatte Frau Möller ihn vorhin noch auf das Zimmer geschickt, umden Schal und die Handschuhe zu holen. Sonst wäre er heute Abend sicher erfroren.
    Je näher sie den Steinen kamen, desto aufgeregter klopfte Mattis’ Herz. Wenn er von weitem die Fackeln, brennenden Metalltonnen und die vielen Zuschauer sah, dann fiel ihm das Einatmen richtig schwer, und er schwitzte trotz der Eiseskälte. Das war bestimmt Lampenfieber. Wenn Mama jetzt da wäre, dann könnte sie ihn beruhigen. Die Gedanken ließen sich nicht abstreifen, sosehr er sich auch bemühte. Wo war sie nur? Warum hatte sie ihn allein gelassen?
    Sie passierten das Restaurant und den Kiosk, wo sich viele Leute aufhielten, denen es wahrscheinlich draußen zum Warten zu kalt geworden war. Es roch nach Glühwein und gebrannten Mandeln. Man konnte Musik hören, Geigen und Trompeten und so etwas.
    «Das ist das Ensemble der Johann-Brahms-Musikschule aus Detmold», sagte Frau Möller. «Sie spielen heute Abend Stücke von Albert Lortzing, einem berühmten Komponisten, der einige Jahre hier in der Gegend gelebt hat.»
    Dieses Orchester machte die ganze Stimmung noch aufregender, fand Mattis. So etwas hatte er noch nie erlebt. Endlich waren sie bei der Wiese angelangt. Links von ihnen erhob sich die graue Wand der Externsteine. Rechts waren sehr viele Leute. Es war fast ganz dunkel, man konnte nur von den Menschen ganz vorn die Gesichter erkennen, die weiter hinten Stehenden wurden bereits von der Dämmerung grau gezeichnet oder verschwammen in der Menge.
    Einige lächelten ihm zu, es waren Fremde, aber sie mochten sicher seine Verkleidung und die wilden Haare, die Frau Möller ihm mit viel Gel zum Stehen gebracht hatte. Gegen Schminke hatte er sich vehement gewehrt, er war doch kein Mädchen. Außerdem musste ein Teufelskind nun wirklich keine Farbe im Gesicht haben. Er ging langsam an den Leuten vorbei, es fielihm schwer, nicht vor lauter Verlegenheit Löcher in den Boden zu starren. Aber seine Mutter sagte immer: Du musst den Menschen ins Gesicht sehen, sonst denken sie, du hättest etwas zu verbergen. Also strengte er sich an, lächelte manchmal und war froh, dass die Felsen nur noch wenige Schritte entfernt waren und er sich dort verkriechen konnte.
    Da trat eine Frau hervor. Sie war sehr dick, Mattis konnte sich nicht erinnern, jemals einen solchen Hintern gesehen zu haben. Sie schaute ihn an, ganz komisch, stellte sich ihm sogar in den Weg. Irgendwie war die Alte merkwürdig, sie trug auch Klamotten, die nach Hexe aussahen, aber das taten viele hier. Die meisten waren verkleidet zum Fest

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