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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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damit den wichtigsten Menschen in meinem Leben genommen. Du hast mit diesem Mord auch meinen Eltern sehr viel Leid zugefügt. Es ist nie wieder so geworden, wie es war. Meine Mutter hat michseitdem erdrückt mit ihrer Fürsorge, sie hat keine Frau an mich herangelassen, immer sagte sie: Denk an deinen Bruder und was dieses Mädchen ihm angetan hat. Hatte sie nicht Recht? Wäre nicht alles gut gewesen, hätte mein Bruder nicht mit dir herumgemacht? Dann wäre er jetzt Angestellter im öffentlichen Dienst oder so etwas, hätte Frau und Kinder. Und ich hätte frei sein können und stünde nicht immer so verdammt einsam in meiner Werkstatt. Ich hasse dich dafür!»
    Wie gern hätte er Janina Grottenhauer diese Worte entgegengeschmettert.
    Doch er war Mittwochnacht Nina Pelikan begegnet. Sie hatte auf sein Rufen reagiert, war lautlos ans Fenster gekommen, hatte den Finger auf die Lippen gelegt und ihn mit einer kaum wahrnehmbaren Geste daran erinnert, dass der Junge im Zimmer schlief und er ihn mit seinem Geschrei wecken würde. Dann war sie in ihrem weißen Schlafanzug und der hellblauen Strickjacke über den Balkon gestiegen und auf der metallenen Feuerleiter nach unten geklettert.
    «Stefan!», hatte sie gesagt, und er hatte sich gewundert, dass sie sich noch an ihn erinnerte. Viel hatten sie damals nicht miteinander zu tun gehabt, und er hätte schwören können, sie hätte ohnehin alles verdrängt und vergessen. Doch sie hatte ihm die Hand gegeben und gesagt: «Ich bin so froh, dass du vorbeigekommen bist. Weil ich mich nie getraut hätte, dich zu besuchen.»
    Und da hatte er begriffen, dass so viele Jahre vergangen waren und all seine Vorwürfe schon längst veraltet waren und er sich besser von ihnen befreien sollte. Es war seine Schuld, dass er sich noch immer damit herumschleppte, nach mehr als zehn Jahren. Also hatte er nicht einen seiner zurechtgelegten Sätze ausgesprochen und sich stattdessen neben die Frau im Pyjama auf eine Holzbank gesetzt und geredet.
    Erst hatte sie ihn gefragt, was er mache. Da gab es nichtviel zu erzählen. Mit wenigen Sätzen hatte er alles über seine Werkstatt, über die Eltern und das geplante Fest an den Externsteinen erzählt. Sie hatte ihn noch über die Theateraufführung ausgefragt. Weil ihr Sohn ja dabei mitwirkte und sie sich Sorgen machte wegen der Kletterpartie. Doch er hatte sie beruhigen können, nur der Wacholderteufel, also Ilja Vilhelm, ginge gefährliche Wege, und der sei ausreichend gesichert. Er hatte sich hinreißen lassen, ausführlich über die Specialeffects ins Schwärmen zu geraten. Wahrscheinlich hatte er sie mit den Details über die Beleuchtung und die Nebelmaschine ziemlich gelangweilt. Als sie gähnte, war er an der Reihe gewesen, sich nach ihrem Lebensweg zu erkundigen.
    Sie war seit sieben Jahren mit einem älteren Mann in Bremen verheiratet und arbeitete in der Reklamationsabteilung eines Supermarktes. Nun war sie wieder schwanger, was man auf den ersten Blick nicht sehen konnte. Eigentlich hörte es sich alles ganz nett an, was sie erzählt hatte, dennoch war Stefan nicht entgangen, dass sie alles andere als glücklich zu sein schien. Normalerweise war es nicht seine Art, allzu persönliche Fragen zu stellen, doch in diesem Fall hatte ihn doch zu sehr interessiert, warum Janina Grottenhauer – oder vielmehr Nina Pelikan – so niedergeschlagen wirkte.
    «Ich war noch nie glücklich. In meinem ganzen Leben noch nicht», hatte sie geantwortet. Auf Nachfrage, warum nicht, hatte sie lange Zeit geschwiegen, und als Stefan schon dachte, es sei besser, sich wieder zurückzuziehen, weil Nina anscheinend keine Lust hatte, noch mehr von sich preiszugeben, da hatte sie auf einmal mit dem Reden angefangen und nicht wieder aufgehört.
    «Doch, ganz früher einmal war ich glücklich. Als ich noch klein war, damals hier in Bad Meinberg. Es war schön hier, und alle waren so nett.»
    «Ist es nicht wirklich so?», hatte Stefan vorsichtig nachgehakt.Er wusste selbst, dass die Idylle nur zu oft trügerisch war.
    Sie hatte ihm nur einen verwunderten Blick als Antwort zuteil werden lassen. «Als ich älter wurde, fing ich an, mich zu langweilen. Die akkuraten Blumenbeete im Kurgarten, o Mann, ich hasste die Tortencafés und die Senioren, die an jeder Ecke Ansichtskarten schrieben. Wahrscheinlich normal für das Alter, Pubertät eben   … Fatal war nur, dass ich mich an die falschen Leute gewandt habe, um diese Mini-Rebellion auszuleben.»
    «Die falschen Leute? Wen

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