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Die Wacholderteufel

Die Wacholderteufel

Titel: Die Wacholderteufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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meinst du damit?»
    «Na ja, eigentlich war es über Konrad Gärtner zustande gekommen. Er war unser Nachbar, und ich habe schon mit zwölf für ihn geschwärmt. Als er mich dann eines Tages auf dem Moped nach Detmold mitnahm, wo er sich mit den
Teufelskindern
traf   …»
    «Teufelskinder?»,
hatte Stefan nachgefragt.
    «So hieß die ziemlich nationalextrem ausgerichtete Jugendgruppe hier in der Region   … Dein Bruder war auch Mitglied, wusstest du das nicht? Na ja, auf jeden Fall war ich sehr stolz, von einem älteren Jungen dorthin mitgenommen zu werden. Da fragte ich nicht lange, Hauptsache, sie waren nicht spießig und duldeten mich in ihrer Mitte. Wir feierten tolle Partys, machten Ausflüge mit den Mopeds, Konrad Gärtner hat mich verführt und für gut befunden   …» Hier hatte sie einen langen Moment geschwiegen, und Stefan ahnte, dass er vielleicht der erste Mensch überhaupt war, dem sie ihre Geschichte anvertraute. Man hatte nicht übersehen können, dass es ihr nahe ging. Und selbst wenn er gewollt hätte, es hätte wohl kaum einen Sinn gemacht, sie zu stoppen. Sie wollte es loswerden.
    «Ich dachte: Das ist es! Du bist jetzt eine von ihnen.»
    «Trotz der braunen Parolen?»
    «Ich habe mir schon oft den Kopf zerbrochen, warum ichauch dabei mitgemacht habe. Ich kann mir das nur so erklären: In der Gruppe pöbelt es sich leicht, wenn ein einzelner Mensch, der anders ist, an einem vorbeigeht. Es hat einem das Gefühl gegeben, überlegen zu sein.»
    «Du hast es damals nie in Frage gestellt?»
    «Nicht wirklich. Die anderen waren schließlich alle älter, klopften kluge Sprüche, ich dachte, die wissen Bescheid.»
    Nina hatte ein bitteres Lachen auf den Lippen gehabt und so seltsam distanziert über diese Sachen gesprochen, als berichte sie aus dem Leben eines anderen Menschen. Aber wahrscheinlich machte es einem das Erzählen leichter, wenn man sich schämte für das, was einem passiert war. Und Nina Pelikan schämte sich, das war nicht zu übersehen gewesen.
    «Als mein Vater damals seinen Job bei
Hornitex
verlor, aber der Türke aus der Nachbarschaft noch weiterhin jeden Tag dort sein Geld verdiente, da war ich auch überzeugt, dass die Ausländer uns das Leben vermiesen und besser wieder in ihre Heimat zurück sollten. Für mich bedeutete dieser Vorfall, dass Konrad Gärtner und seine Leute wussten, was richtig ist. Und da habe ich auch nicht aufgemuckt, als ich innerhalb der Gruppe weitergereicht wurde.»
    Sie hatte wieder eine Pause gemacht und ihn beobachtet.
    Stefan hatte sich räuspern müssen. «Sie haben dich weitergereicht? O mein Gott   …»
    Nina hatte genickt und wieder weggeschaut. «Das war so üblich, dass die jungen Mädchen mal bei den anderen Kerlen ‹in die Lehre› gingen, so nannten sie das. Konrad hat gesagt, er habe die Grundausbildung übernommen, nun seien seine Kumpels für die Feinheiten zuständig. Wenn ich dann genug Erfahrung gesammelt hätte, würde er mich zurücknehmen und vielleicht auch heiraten. Ich habe das damals wirklich geglaubt und einfach so mitgemacht.» Sie hatte den Kopf geschüttelt, angewidert von der Erinnerung. «Wenn ich heutedarüber nachdenke, kann ich es nicht fassen, aber damals war das für mich normal. Unglaublich, oder?»
    Ja, unglaublich, hatte Stefan gedacht. «Und mein Bruder?»
    «Ulrich war der Letzte in der Reihe, wenn du verstehst, was ich meine.»
    Stefan Brampeter hatte schwer schlucken müssen, bevor er krächzte, er wisse nicht so ganz genau   …
    «Ulrich war der härteste von allen. Auch wenn er nicht der Anführer der Teufelskinder war, Ulrich hatte von allen am wenigsten Skrupel. Erinnerst du dich an den Brandanschlag in Detmold?»
    Natürlich erinnerte er sich. «Die Afrikanerin   …»
    «Ulrich hat damals den Brandsatz ins Fenster geworfen, obwohl er ganz genau wusste, dass dort noch die junge Frau war. Ein Brandsatz war ja schon geflogen, und die Frau hatte doch vorher so laut um Hilfe geschrien, Ulrich konnte sie nicht übersehen haben. Immerhin hatte sie sich doch ans Fenster geschleppt, mit ihrem Baby auf dem Arm. Sie hat das Kind in letzter Minute einer anderen Frau unter dem Balkon zugeworfen.» Ninas immer noch seltsam sachlicher Bericht war an dieser Stelle zu Ende gewesen. Von einer Minute zur nächsten war die Mauer, der Schutzwall, gebrochen, und Nina hatte begonnen, sich beim Reden vor- und zurückzuwiegen, unbewusst, als wenn sie Trost suchte. «Zugeworfen! Das muss man sich mal vorstellen. Diese Mutter

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