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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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sie mühelos zu dem riesigen Mechanismus. Sie strampelte und keuchte, aber er war so stark wie ein Ochse. Dann fiel ihr Blick auf die Ledermanschetten mit den Verschlüssen, von denen mehrere an der Konstruktion befestigt waren und zwei an den Tauen baumelten, die zu den Kontergewichten führten, und auf die dunklen Flecken und Spritzer, die überall auf dem Holz verteilt waren und von denen der schwere Geruch stammte. Die Walze glänzte vom Schmierfett, das sie in Funktion hielt, doch dort, wo ihre Führungsrinne beinahe nahtlos in das glatt polierte Holz überging, hingen an zwei Stellen strähnige, matte Klumpen – ausgerissenes Haar. Plötzlich wusste sie, was sie vor sich hatte, und hatte keine Kraft mehr zum Schreien. Sie wurde auf die Maschine gepresst und festgeschnallt. In den Horror, der immer lauter in ihren Ohren gellte, schnitt das Surren der Spielzeugmechanismen, die sie gesehen hatte. Sie ahnte, dass diese Konstruktion einem Sammler wie Kaiser Rudolf die gleiche Begeisterung abgerungen hätte wie ihre kleinen, harmlosen Schwestern. Das Letzte, das sie wahrnahm, bevor die Panik sie blind machte, waren das Lachen und das Händeklatschen Isoldes und ihr wunderhübsches, mit Sabber beflecktes, leeres Gesicht.
    5
    Heinrich hockte in der Kammer, in der die Äbtissin des Klosters Frauenthal mit Besuchern zu sprechen pflegte. Er bemühte sich, die Wut im Zaum zu halten, die ihm zuflüsterte, den kleinen Raum auseinanderzunehmen, die Tür einzutreten, brüllend durch die bröckelnden Gänge des Klosters zulaufen und die paar Nonnen, die sich noch in dieser Bruchbude aufhielten, zu erschießen. Zugleich wuchs die Sorge in ihm, dass er möglicherweise zu leichtfertig gewesen war.
    Nach schier endloser Wartezeit öffnete sich der hölzerne Schieber hinter dem Gittertürchen mit einem Ruck, und er ahnte, dass jemand dahinter war. Plötzlich fiel ihm die Ähnlichkeit zu der Situation in einem Beichtstuhl auf. Es hätte seinen Zorn steigern sollen, aber tatsächlich steigerte es seine Besorgnis. Unsinnigerweise fühlte er sich auf einmal befangen angesichts der eingebildeten Einladung, sich zu seinen Sünden zu bekennen.
    »Der Herr sei mit dir«, sagte eine Frauenstimme hinter dem Gitter hervor.
    »Und mit Ihrem Geiste, Mutter Oberin«, erwiderte Heinrich. »Ich bin in großer Sorge.«
    »Worüber?«
    »Ich bin vor wenigen Tagen auf der Durchreise hierhergekommen. Ich war in Begleitung meiner Schwester und deren alter Magd.«
    »Ich erinnere mich«, sagte die Äbtissin. Heinrich glaubte, Kühle in ihrer Stimme wahrzunehmen. Natürlich, der alten Kuh musste jede männliche Begleitung für eine Frau suspekt vorkommen. Heinrich legte so viel falsches Gefühl in seine Worte, wie er nur konnte.
    »Die alte Frau hat meine Schwester und mich praktisch aufgezogen. Wissen Sie, Mutter Oberin, man hat es nicht leicht, wenn die Mutter tot und der Vater ein hoher Reichsbeamter ist, der ständig auf Reisen …«
    »Gewiss nicht«, unterbrach ihn die kühle Stimme.
    »Die gute Alte erkrankte auf der Reise von Prag hierher. An dem Morgen, an dem wir aufbrechen wollten, lag sie wie tot, aber sie atmete noch.«
    »Sie ist wieder zu sich gekommen.«
    In Heinrich stritten sich einen Herzschlag lang die Enttäuschung, dass die Alte sich wieder erholt hatte, und die Vorfreude darauf, sein Werk endlich vollenden zu können.
    »Dank sei Gott, dem Herrn. Wir mussten dringend weiterreisen und sie deshalb in der Obhut Ihres Spitals zurücklassen, und nun habe ich meine Schwester zu unseren Verwandten gebracht und komme zurück, um die Gute zu …«
    »Die alte Ljuba«, sagte die Äbtissin.
    »Leona«, sagte Heinrich. Er dachte voller Häme: Eher friert die Hölle zu, als dass eine alte Jungfer mich überlistet.
    »Ach ja.«
    Heinrich seufzte so theatralisch, wie er es riskieren zu können glaubte. Dann schwieg er.
    »Also gut«, sagte die Äbtissin zuletzt. »Sie ist noch hier. Ich werde dich selbst zu ihr bringen.«
    »Gott wird es Ihnen vergelten.«
    »Warte vor der Klosterpforte.«
    Er stellte sich darauf ein, dass die Klosterschwester ihn rein aus Bosheit eine Weile draußen stehen lassen würde, doch zu seiner Überraschung kam sie schon nach wenigen Minuten wieder. Ihr Gesicht war hinter dem feinen Seidentuch, das sie über Kopf- und Brustschleier gelegt hatte, unsichtbar, und obwohl er darauf vorbereitet gewesen war, irritierte es Heinrich. Es machte ihn unsicher, wenn er mit jemandem sprach, dessen Gesicht er nicht erkennen

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