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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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habe dich verlassen, dachte er dann. Quo vadis, domine? Filippo ahnte, dass Petrus, hätte er damals an der Stelle außerhalb Roms, wo heute Santa Maria in Palmis lag, weitersprechen können, auf die Knie gefallen wäre und gefleht hätte: Wohin gehst du, Herr? Nimm mich bitte mit!
    Jesus hatte Petrus allein auf seinen letzten Weg geschickt. Es war die Eigenart Gottes, dass er den Glauben eines Menschen immer dann prüfte, wenn es nur noch den Weg zwischen Tod und Leben gab. Die junge Frau, deren Namen er nicht kannte, hatte sich dafür entschieden, Jesu Wegweisung zu folgen. Filippo war sicher, dass Heinrich die Pistole weggesteckt hätte, wäre sie nur vor ihm auf die Knie gesunken und hätte um Gnade gefleht. Und er, Filippo? Er war schon vom rechten Weg abgewichen, als es für ihn noch gar keine Entscheidung zwischen Leben und Tod gegeben hatte.
    Quo vadis, domine?
    Er heulte auf, als er Vittorias Stimme in seinem Inneren hörte. Dorthin, wo du nicht mehr hingehen kannst, Filippo.
    Er dachte an das Kruzifix in der Kammer des Palastes in Prag. Er dachte daran, dass er sich eingeredet hatte, der Beobachter zu sein, der versuchen würde, die Kontrolle an sich zu reißen, wenn es ernst würde. Er stellte fest, dass es schon lange ernst geworden war, und er hatte nichts getan.
    Jesus hatte am Ölberg gebetet: Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen.
    Filippo hatte ihn vorübergehen lassen.
    Oder konnte er noch nach ihm greifen?
    Er wurde sich bewusst, dass die Idiotin lachte und in die Hände klatschte und ihm etwas mitzuteilen versuchte. Er blickte auf, müde und zerschlagen. Sie deutete in eine Richtung. Nach einer Weile war es ihm, als verstehe er, was sie brabbelte.
    »Parzival?«, fragte er. »Wieso Parzival?«
    Sie streckte die Hand aus. Filippo sah, dass sie auf eine Lichtung zwischen mehreren Baumstämmen deutete. Ein Pfad kam von der Seite her und lief auf die Lichtung zu, und auf ihr war undeutlich eine baufällige Hütte zu sehen. In der Nähe, ebenfalls nur undeutlich durch die Stämme sichtbar, waren halb eingesunkene Hügel wie uralte Gräber. Es war eine aufgegebene Köhlerhütte, die letzten Haufen Holzkohle von Gras überwuchert und in den Boden gesunken. Er schnaubte. Parzival und seine einsame Bleibe im Wald waren die Archetypen der Unschuld. Filippo war überzeugt, dass es im Umkreis von Pernstein nirgendwo so etwas wie Unschuld gab. Warum ausgerechnet diese Geschichte sich im fehlerhaften Verstand der jungen Frau festgesetzt hatte, war ihm ein Rätsel. Er kam mühsam auf die Beine. Heinrich hatte ihm nicht gesagt, wohin er sich wenden sollte. Filippos Pferd war zurückgeblieben, und er hatte die Orientierung vollkommen verloren. Er konnte genauso gut zu der alten Hütte hinüberstolpern und hoffen, dass Heinrich ihn dort aufstöbern und mit zurücknehmen würde. Er empfand den Hohn, dass er den Abgesandten des Teufels selbst dazu benötigte, um den richtigen Weg zu finden, noch bitterer als die Galle, die er erbrochen hatte.
    Aus der Nähe erkannte er, dass die Hütte nur in dem Teil baufällig war, in dem offenbar die Tiere untergebracht gewesen waren – Ziegen, Hühner, vielleicht ein Schwein, die der Köhlerfamilie Gefährten in der Einsamkeit gewesen waren. Der Wohnteil war zwar ein wenig beschädigt und windschief, aber das Dach schien dicht, und die Lehmwände waren intakt. Filippo stieß die Tür auf und bückte sich darunter hindurch.
    Zu seinem Erstaunen waren Möbel in der Ruine zu finden: ein langer, schmaler Tisch, der aus einem anderen Haus stammen musste, zwei in Kniehöhe abgesägte und glatt geschmirgelte Holzstämme, die Sitzgelegenheiten bildeten. In einer Ecke befand sich ein großer Haufen Stroh, auf dem noch alte Decken lagen. Die junge Frau kam nach ihm in den Innenraum. Sie lachte und klatschte in die Hände. Filippo kniff die Augen zusammen; selbst die Düsternis des Waldes war hell gegen das fensterlose Innere der alten Hütte, das nur durch die offene Tür und durch ein Loch im Dach über der Feuerstelle Licht bekam.
    Eine Kette klirrte. Bei den Decken regte sich etwas. Zu überrascht, um etwas anderes tun zu können, als zu gaffen, sah Filippo, dass jemand unter den Decken gelegen hatte, der sich jetzt aufrichtete. Die Kette klirrte erneut. Sie lief von einem Pfosten im Boden zu dem Strohhaufen hinüber und endete an einem Fußknöchel. Ein Mann mit struppigem langen Haar und Bart musterte ihn. Wenn Filippo sich jemals die Mühe gemacht hätte, dem Parzival aus

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