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Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman

Titel: Die Waechter der Teufelsbibel - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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sehenkonnte. Er ahnte, dass sie ihn durchschaut hätte. Er hatte es tatsächlich nicht fertiggebracht. In dem Moment, in dem er den Abzug gedrückt hatte, war ein so überwältigendes, erschütterndes Gefühl in ihm hochgeschossen, den schlimmsten Fehler seines Lebens gemacht zu haben, dass er, wäre er nur schnell genug gewesen, den Lauf der Waffe noch im letzten Moment hochgerissen hätte. Als er das trockene Klicken hörte, hätte er sie am liebsten umarmt und geküsst. Nur der Hass in ihren Augen und dass sie nicht einmal geblinzelt hatte, als er abdrückte, hatten es verhindert.
    Unwillkürlich wandte er sich ab, um zu Cyprian Khlesl hinunterzuspähen. Die Pferde gingen in schnellem Schritt, und er trottete mühelos neben dem seinen her. Einen Moment lang war Heinrich versucht, an der Kette zu zerren oder sie so kurz zu halten, dass er nur noch mit ausgestrecktem Arm daneben herstolpern konnte, aber dann verzichtete er darauf. Er fing den Blick Cyprians auf. Natürlich hatte er das kurze Gespräch zwischen Alexandra und ihm verstanden. Heinrich verzog sein Gesicht zu einem hässlichen Grinsen. Das war leichter, als zu versuchen, Cyprians unbewegte Miene nachzuahmen.
    »Was ich am Fluss gesagt habe, gilt nicht mehr. Wir drehen den Spieß jetzt um – sie wird zusehen, wie ich dich fertigmache.«
    »Hauptsache, du entscheidest dich mal für etwas«, sagte Cyprian.
    Heinrich biss die Zähne zusammen. Es hatte wie der Versuch eines Todgeweihten geklungen, lässig zu erscheinen, aber tatsächlich war ein Stachel darin verborgen gewesen. Er fragte sich, wie es dem Mann gelang, ihm ins Herz zu schauen, und er wollte ihn schlagen dafür. Doch stattdessen wandte er nur den Blick ab. Woher wusste Cyprian, dass er die Entscheidung nicht nur deshalb so lange hinausgezögert hatte, weil der richtige Zeitpunkt noch nicht gekommenschien? Den Zeitpunkt hätte er, Heinrich, jederzeit bestimmen können. Tatsächlich war Heinrich sich bewusst, dass er in Cyprians Lage längst aufgegeben hätte und gestorben wäre. Er hätte weder den eiskalten Fluss noch die Schussverletzungen, noch die Behandlung durch Cosmas Laudentrit überlebt. Cyprian hingegen hatte nicht nur überlebt, er hatte sogar dafür gesorgt, dass er in Übung geblieben war, als hätte er die ganze Zeit über geahnt, worauf seine Gefangenschaft hinauslief. Wie konnte man so sehr daran glauben, dass man immer noch eine Chance hatte? Heinrich fühlte sich in jeder Hinsicht entzweigerissen. Alexandras wegen, aber auch wegen ihres Vaters. Einerseits verlangte es ihn danach, Diana endlich zu beweisen, dass er, Heinrich, dem alten Burschen überlegen war, schon um seines eigenen Seelenfriedens willen. Andererseits hatte er Angst vor dieser Konfrontation. Er hatte es sich selbst so lange nicht eingestanden, aber nun konnte er der Erkenntnis nicht mehr ausweichen. Er hatte Angst vor Cyprian. Dieser Mann war alles, was er nicht war, und in seinem Herzen wusste er, dass Alexandras Vater ihm überlegen war. Er hasste ihn so sehr, dass ihm fast übel wurde.
    Alexandra hatte ihren Vater gemustert. Heinrich sah ihr Profil. »Schau nach vorn!«, schnauzte er.
    »Was ist geschehen?«, fragte sie. »Was von all dem, was du mir erzählt hast über dich und deine Gefühle für mich und über deine Reise nach Braunau, war keine Lüge?«
    Dass es mir nicht gelingt, dich so wie die anderen als ein Stück Fleisch zu sehen, wäre die richtige Antwort gewesen. Diana ist in meinem Blut, aber du hast dich in meine Seele geschlichen. Er schwieg.
    »Er hat mich aus dem Fluss gefischt«, sagte Cyprian.
    »Wer hat dich gefragt?«
    Cyprian zuckte mit den Schultern. »Er hatte wohl eine bessere Verwertung für mich, als mich ertrinken zu lassen.«
    »Ertrinken und verbluten«, sagte Heinrich gegen seinenWillen. Er fühlte, wie Alexandra erschauerte. »Mit meinen beiden Kugeln im Leib«, fügte er hinzu.
    »Dass das Wasser so kalt war, hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet. Dass die Strömung so stark war, war hingegen mein Pech. Ich weiß, dass Andrej mich sonst herausgezogen hätte. Aber der Fluss trug mich fort. Ich kam erst wieder zu mir, als ich mich schon auf einer Trage befand, die unser Freund hier und seine Kumpane hinter sich herzogen, zusammen mit der Truhe, in der sich die Kopie der Teufelsbibel befand.«
    »Er hatte sich in Buschwerk verfangen«, sagte Heinrich und hoffte, dass er in Alexandra den Eindruck erwecken konnte, ihr Vater sei nicht mehr als ein Lumpenbündel gewesen. »Die

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