Die Wächter Edens
geplant.«
Shane blickte betreten zu Boden. »Wir waren einfach zu wenige, um ihn richtig einzukreisen.«
Vincent nickte gleichgültig. »Darum wurde Antonio ja zu uns geschickt, nicht wahr?« Er seufzte. »Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ändern. Seid gründlich. Und vorsichtig. Etwas von ihm könnte noch immer dort sein.«
Noriko stutzte. »Wirst du uns denn nicht begleiten?«
Vincent schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe heute eine andere … Verpflichtung.« Er musterte Toni erneut mit diesemdurchdringenden Blick. »Dabei werdet ihr ihm erklären, was wir genau tun.«
Toni fühlte einen Kloß in seinem Hals wachsen. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, aber wenn er seine Begegnung mit Vlad bedachte, konnte eine wie auch immer geartete »Tätigkeit« nur eins bedeuten: mehr fleischgewordene Albträume. Warum bin ich nicht weggerannt? , fragte er sich plötzlich. Nach dem Besuch bei … diesem Ding war die Gelegenheit da. Warum bin ich geblieben? Er blickte beinah Hilfe suchend umher und betrachtete das Jesuskreuz.
»Und wart ihr schon bei Alfred zur Beichte?«, fragte Vincent und riss Toni damit aus seinen Gedanken.
Noriko schüttelte den Kopf.
»Dann geht zu ihm«, sagte der blonde Mann. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und verließ die Kirche. Toni sah ihm nach, wie er an den aufgereihten Bänken entlangschritt. Der Mantel wogte bei jedem Schritt sanft hin und her. »Und erklärt ihm, warum er geblieben ist.«
Toni riss erschrocken die Augen auf. »Kann er etwa auch Gedanken lesen?«
Shane lachte. »Nein, keine Sorge. Aber Vince hat einfach schon viel gesehen … Man könnte fast sagen, er hat schon alles gesehen. Er weiß einfach, wie wir Menschen so ticken. Man könnte sagen, er kann Emotionen lesen, keine Gedanken.«
Noriko blickte auf ihre Armbanduhr. »Wir haben noch Zeit. Die Stadt ist jetzt voller Menschen.«
Shane nickte. »Dann können wir auch die Beichte bei Alfred ablegen.« Er wandte sich an Toni. »Hat Alfred dir schon dein Zimmer gezeigt?«
»Nein, wir waren die ganze Zeit nur hier im Kirchensaal.« Erst jetzt kam Toni wieder die Reisetasche mit seinen persönlichen Sachen in den Sinn. Bei seiner Ankunft hatteer sie zwischen den Sitzbänken verstaut und dann völlig vergessen. Er sah sich um, doch die Tasche aus schwarzem Nylon konnte er nirgends entdecken. »Aber anscheinend haben meine Sachen schon Füße bekommen.«
Shane lachte laut. »Alfred ist sehr fürsorglich. Würde mich nicht wundern, wenn er sie dir sogar schon ausgeräumt hätte!«
Toni wollte schon protestieren, bemerkte aber im letzten Moment, dass es sich dabei um einen von Shanes Scherzen gehandelt hatte, und nickte langsam.
»Hier entlang«, sagte Noriko knapp und stand schon in dem kleinen Durchgang, der zur Hintertür führte.
Das Zimmer lag in dem kleinen angrenzenden Gebäudekomplex, ganz wie Toni es vermutet hatte. Es war nicht besonders groß, vielleicht zehn Quadratmeter. Neben einem Bett und einem schmalen Kleiderschrank gab es darin nur noch einen kleinen Schreibtisch mit Hocker, der Toni stark an die Studierzimmer alter Klöster erinnerte.
»Voilà!«, sagte Shane und machte eine ausladende Armbewegung. »Dein neues Zuhause.«
»Keine Sorge«, fügte Noriko hinzu, »du wirst nicht oft hier sein.«
Toni zuckte die Achseln. »Nach heute Mittag finde ich den Gedanken, mich hier zu verkriechen, gar nicht mehr so schlecht.«
Shane klopfte ihm fest auf die Schulter. »Glaub mir, du gewöhnst dich dran. Man gewöhnt sich an alles.«
Sie ließen ihn allein im Zimmer zurück und Toni verschloss aus einem undefinierbaren Impuls heraus die Tür hinter sich. Als könnte er die Schrecken, die er wenige Stunden zuvor gesehen hatte, so wieder aus seinem Leben verbannen. Er ging zu dem kleinen Fenster hinüber undblickte hindurch in einen kleinen Garten, der hinter der Kirche lag. In Rom hatte er häufig seine freien Stunden auf dem Petersplatz verbracht, den Gesprächen der Touristen gelauscht und die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen. Hier gab es jedoch nicht viel zu sehen, also ließ er sich seufzend aufs Bett fallen. »Wo bin ich hier nur reingeraten?«, fragte er laut, als erwartete er, dass die Wände sich auftun und Gott zu ihm sprechen würde. Warum bin ich nicht davongelaufen? , wunderte er sich erneut. »Warum?«
Ein Lächeln huschte unvermittelt über sein Gesicht. »Weil ich nun Gewissheit habe!«, sagte er plötzlich laut. Toni setzte sich im Bett auf. »Mein
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