Die Wächter Edens
nickte. »Vincent ist ihm hierhergefolgt. Shane und ich hielten oben die Stellung.«
»Also, ihr habt den Mann verfolgt, von dem sie im Radio sprechen. Und Vincent hat ihn verbrannt?« Er blickte sie fragend an. »Wieso?«
Noriko blickte betrübt zu Boden. »Es war seine einzige Rettung.«
»Rettung? Der Mann wurde verbrannt! Das klingt für mich nicht gerade nach Rettung.«
Shane schüttelte den Kopf. »Nicht für seinen Körper. Es war die einzige Rettung für seine Seele.« Der Hüne seufzte und wandte sich an Noriko. »Ich denke nicht, dass er zurückkehrt. Der Bann war erfolgreich. Wir sollten zurück ins Nest.«
»Moment!«, unterbrach ihn Toni. »Ich verlange ein paar Antworten!«
»Die kriegst du auch«, sagte Shane leise. »Aber im Wagen, wo uns sicher niemand hören kann.«
»Du hast jetzt das Ergebnis unserer Arbeit gesehen«, fügte Noriko an. »Denk daran, es gibt kein Zurück mehr.«
»Das ist doch Wahnsinn!«, hauchte Toni fassungslos.
Wieder im Van verriegelte Shane die Türen und vergewisserte sich, dass alle Fenster geschlossen waren, was bei den herrschenden Temperaturen ohnehin angebracht war. Er blickte Toni fest in die Augen. Und diesmal überspielte kein breites Grinsen den Ernst der Lage. »Wir beschützen die Menschen, verstehst du? Wir schützen die Unwissenden vor solchen Schrecken wie Vlad und die Unglücklichen vor sich selbst.«
»Nein, das kapier ich nicht«, widersprach Toni. »Red endlich Klartext.«
Shane atmete tief durch. »Der Mann gestern Nacht, er war einer der Unglücklichen. Ein Dämon hatte Besitz von ihm ergriffen. Und schon sehr bald wäre er zu einemMonster geworden; hätte gemordet oder anderen Dämonen den Sprung in die Welt ermöglicht.«
»Dämon?«, wiederholte Toni in zweifelndem Ton.
Shane seufzte. »Ich dachte, darüber wären wir seit deiner Begegnung mit Vlad hinaus? Ja, verdammt, es gibt Vampire, es gibt Hexen, Werwölfe, Geister … und Dämonen. Vor allem vor Letzteren beschützen wir die ahnungslose Menschheit. Werwölfe, als Beispiel, wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden. Ziehen sich zurück und schützen sich und andere vor ihrer Verwandlung. Vampire und Hexen sind da ambivalenter … aber Dämonen haben nur ein einziges Ziel: die Tore der Hölle zu öffnen.«
Toni wollte gerade etwas erwidern, doch er zögerte, lehnte sich zurück und blickte Shane direkt in die Augen. Der Hüne wollte ihn keinesfalls veralbern, sein Blick war fest und seine Worte klangen aufrichtig. »Ein Dämon. Wieso?«
»Wieso was?«, fragte Shane.
»Wieso hatte der Dämon von dem Mann Besitz ergriffen?«
»Weil sie keine eigene Form annehmen können. Zumindest nicht auf Dauer«, erklärte Shane. »Sie verstecken sich in sterblichen Hüllen. Sie brauchen Wirtskörper.«
»Und wie gelangen sie in einen Wirt?«
Shane zuckte die Achseln und Noriko ergriff das Wort. »Das ist unterschiedlich. Manche werden von hirnlosen Idioten beschworen. Kids, die es cool finden, schwarze Messen abzuhalten und lauter solchen Quatsch. Andere finden eine verzweifelte Seele, einen Menschen, der jede Hoffnung verloren hat und sich an jeden Strohhalm klammert. Wie diesen Obdachlosen. Der Dämon nistet sich langsam in seinen Gedanken ein.«
»Und ihr … Wir jagen sie? Und müssen sie dann verbrennen?«
Shane nickte. »Wir müssen die Wahrheit schützen. Und die Menschen. Denn vor allem liebt Gott die Menschen.«
»Das klingt alles so verrückt«, stellte Toni erneut fest.
Shane lachte. »Gewöhn dich dran. Normal war gestern. Von heute an gehörst du zu einem kleinen Kreis von Menschen, die die unumstößliche Wahrheit kennen.«
»Und wie geht’s jetzt weiter?«
Shane startete den Motor und Noriko wandte sich noch einmal um. »Du wirst ziemlich viel lernen müssen. Und wir müssen für den nächsten Angriff bereit sein.«
Shane lenkte den Van aus der Parklücke, während der CD-Player gerade »Shadow of the day« von Linkin Park anspielte.
*
Vincent ging schweigend an den Gräbern vorbei, bis er an einem bestimmten Grabstein stehen blieb. »Für dich«, flüsterte er und legte eine langstielige Rose auf dem Grabstein ab.
»Du liebst sie noch immer«, erklang eine bekannte Stimme hinter ihm.
Vincent wandte sich nicht um. »Für sie wäre ich zum Menschen geworden.«
Nathaniel trat neben ihn an das Grab heran. »Für sie wäre jeder von uns gestorben«, stimmte er zu.
»Warum hast du sie getötet?«
Nathaniel seufzte schwer, blieb jedoch eine Antwort
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