Die Wächter Edens
von Hohn mit. »Vor zwanzig Jahren hättest du vielleicht einen Sterblichen verführen können, Hexe. Was sollte ich mit deinem unvollkommenen Körper schon anstellen?«
Samira überging die Beleidigung mit einem Lächeln. »Ich denke eher, du weißt nicht wirklich, wie du es anstellen würdest, nicht wahr?« Sie trat aus der Dusche undignorierte die Tatsache, dass die kühle Luft ihr eine Gänsehaut am ganzen Körper verursachte. Anmutig glitt sie an Vincent vorbei, nicht ohne sicherzustellen, dass sie ihn berührte. »Ist es nicht so … Engel?«, fragte sie und legte ihre Hand in seinen Schritt. »Er hat euch so vollkommen gemacht, aber das Wichtigste hat er vergessen.«
Vincent legte seine Hand auf ihre Stirn, und mit einem Mal formten sich Bilder in Samiras Kopf. Sie lag mit ihm im Bett, er berührte sie, küsste sie. Schließlich nahm er sie vollkommen, liebte sie so, wie es kein Mann je könnte. Samira fühlte die Erregung, die Lust, die Leidenschaft. Für einen Moment konnte sie ihn fast in sich spüren. Sie hörte, wie sie stoßweise atmete, beinahe schon keuchte.
Vincents Mund schwebte wenige Millimeter neben ihrem Ohr. »Du irrst dich. Ich bin in jeder Hinsicht vollkommen.« Kurz ließ er in Gedanken von ihr ab, gönnte ihr eine Pause, dann überfiel er sie erneut mit Bildern und Gefühlen. Samira wollte, dass er aufhörte – es war einfach zu viel. Gleichzeitig wollte sie, dass es niemals endete.
Das pure Glück strömte über seine Hand durch sie hindurch. Samira war von einem inneren Frieden ergriffen, den sie niemals für möglich gehalten hätte. Es war der vollkommene Moment, sie war endlich vollkommen. Und wenn es auch nur in ihren Gedanken geschah, so spürte sie doch jede seiner Liebkosungen, als wäre sie real.
Ihre Beine wurden schwach, sie taumelte gegen die Wand und Vincents Hand löste sich von ihrer Stirn.
Mit einem Mal war alles vorbei, die Lust, die Liebe, der innere Frieden. Samira fühlte gar nichts mehr.
Tränen rannen ihr übers schweißnasse Gesicht, als sie erkannte, dass sie niemals wieder in ihrem Leben etwas so Schönes erfahren würde. Niemals könnte ihr ein Mann das bieten, was Vincent ihr gerade geschenkt hatte. Und miteinem Mal fühlte sie sich klein und unbedeutend. Unwürdig, in seiner Gegenwart zu sein. Sie war bloß ein Mensch, unvollkommen und seiner Gnade ausgeliefert.
Sie verdeckte ihre Scham und ihre Brüste, kauerte sich gegen die kalten Fliesen des Badezimmers. Sie war gefangen in dieser sterblichen Hülle. Gefangen in einer Welt, die niemals so vollkommen sein würde.
»Zieh dich an«, sagte er mit fast tonloser Stimme. »Ich will mit dir reden.«
Samira wimmerte leise. »Warum hast du das getan?«, fragte sie. Mit dem Verlust seiner Berührung hatte sie das Gefühl, als hätte man ihr die Seele aus dem Leib gerissen.
»Es ist deine Strafe dafür, dass du Nathan geholfen hast.«
Sie riss erschrocken die Augen auf. »Woher weißt du …«
Vincent wandte sich ab und ging ins Wohnzimmer. »Im Augenblick ist viel wichtiger, was du weißt.«
Samira verharrte noch einen Moment auf dem Boden, sortierte ihre Gedanken. Vincent weiß, dass ich Nathan geholfen habe. Aber er weiß offensichtlich nicht, wie. Sie schluckte ihre Angst und die Verwirrung über die bloße Existenz eines Wesens wie Vincent hinunter und zog einen Bademantel an.
Vincent erwartete sie im Wohnzimmer. Er stand in der Mitte des Raumes und musterte sie mit seinem ausdruckslosen Blick.
Samira setzte sich vor ihm in einen Sessel. Von Sekunde zu Sekunde wurde sie wieder mehr Herrin über ihre Emotionen. Sie war zu stolz, um ihm zu zeigen, wie sehr er sie gerade verletzt hatte. »Wolltest du nur herkommen, um mich zu demütigen?«, fragte sie nach einem kurzen Moment des Schweigens.
»Es werden von Tag zu Tag mehr Dämonen«, kam Vincentdirekt zur Sache. »Und sie werden stärker. Nathan war hier, das hat mir einer von Luzifers Lakaien erzählt. Wieso war er hier?«
Samira lehnte sich mit gespielter Gelassenheit im Sessel zurück und kicherte süffisant. Vincent zu verärgern war riskant, doch das scherte sie im Moment nicht. »Ich dachte, ihr Engel wüsstet immer die Wahrheit über alles und nichts bliebe eurem Blick verborgen?«
Vincent funkelte sie wütend aus seinen strahlend blauen Augen an. Kurz darauf bemühte er sich wieder um einen emotionslosen Ausdruck, doch die Fassade bröckelte. Er wirkt so viel menschlicher als Nathan, dachte Samira plötzlich.
»Ich kenne die Wahrheit«,
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