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Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
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Eine finstere Gestalt. Gib auf, raunte sie ihr zu. Es kommt niemand, um dich zu holen. Du bist für immer hier gefangen. Die dunklen Gedanken nahmen allmählich immer mehr Raum ein, so wie Johannes Besitz von ihrem Körper ergriffen hatte. Ihre Seele hingegen würde ihm niemals gehören, sie schwebte über der Bucht des Bremsegårds und suchte ihren Seelenverwandten. Lag Hendrik dort unten in der Tiefe? Sah er ihre Verzweiflung, konnte er ihr Hilfe schicken? Es eilte langsam, denn um ihren Körper war es schlecht bestellt, das fühlte Aleida. Sie hatte schon lange keine Monatsblutung mehr gehabt und befürchtete, Johannes könnte Unkraut in ihrem Garten gesät haben.
    Der Wind nahm zu, und Salzwasser spritzte bis zu ihr auf die Klippen. Ich kann nicht für ein Kind sorgen, das gegen meinen Willen gezeugt wurde. Er oder sie würde keinen Platz in meinem Herzen haben, und außerdem würde man mir das Kind sowieso gleich nach der Geburt wegnehmen. Sie konnte sich leicht vorstellen, was dann passieren würde.
    Ihre Gedanken wanderten wieder zu Hendrik, der mit den anderen Seemännern erschlagen worden war. In dem Moment hatte ihr Leben geendet.
    Ich bin nur noch ein Gespenst, das hier auf den Klippen herumrennt, um vor den Schreien der Männer davonzulaufen, denen die Hände abgehackt und die Schädelzerschmettert wurden, als sie sich auf das Schiff von Johannes und Daniel zu retten versuchten.
    Was sollte sie tun, wenn das Kind kam? Wo sollte sie hin?
    Wenn niemand mir zu Hilfe kommt, ist mein Leben vorbei. Entweder mache ich ihm selbst ein Ende, oder jemand anders tut es.
    Sie hörte sie reden, ohne ein Wort zu verstehen. Doch dann sah sie ihre Blicke, und da begriff sie.
Nordgård, 1838
    Die Frau kam am Dreikönigstag. Ihr Haar unter dem Kopftuch war zerzaust, und ihre abgewetzten Männerstiefel waren viel zu groß. Ihre Wangen glühten vor Kälte. Agnes sah sie am Tor stehen. Sie wollte eigentlich nicht mehr reden, aber die Gedanken an den Brief ließen ihr Tag und Nacht keine Ruhe.
    Draußen war es bitterkalt. Ihr Atem verwandelte sich in weißen Dampf, als sie die Tür öffnete und Aleida hereinrief.
    » Kom binnen .«
    Bevor sich die Frau dem Haus näherte, sah sie sich zögernd um, als glaubte sie, sich getäuscht zu haben, als sie Agnes nach ihr rufen hörte. Eigentlich war es Wahnsinn, aber was blieb ihr anderes übrig? Agnes fror schon an der offenen Tür. Sie winkte der Frau zu, damit sie sich beeilte. Die Holländerin drängte sich niemals auf und hätte von selbst wahrscheinlich nicht einmal gewagt, durch das Tor zu gehen und an die Tür zu klopfen. Sie wäre trotz der Kälte dort stehen geblieben und hätte gehofft, dass jemand sie sah. Schleppend bewegte sie sich vorwärts,als wären ihre Gliedmaßen von der Kälte ganz steif. Irgendetwas stimmte nicht, denn sonst wäre Aleida nicht so langsam gegangen. Agnes zog Oskars Robbenfelljacke über und rannte ihr entgegen. Sie legte Aleida ein Schaffell um die mageren Schultern und zuckte erschrocken zusammen, als sie bemerkte, wie kalt die Frau war.
    Agnes machte die Tür hinter ihnen zu und schloss sie sorgfältig ab. Sie streckte den Arm über die Küchenbank und zog die Vorhänge zu. Anschließend half sie der Holländerin aus den Stiefeln und setzte sie auf einen Stuhl vor dem Herd. Agnes legte Holz nach und sah, wie die Glut das Gesicht der Frau beleuchtete. Die Kälte hatte nur die Wangen gerötet, ansonsten war ihre Haut so weiß wie der Schnee auf dem Hügel vor dem Haus. Jetzt bemerkte Agnes, dass die Frau zitterte. Ihre Füße hatten eine ungesunde Farbe, die ins Bläuliche tendierte. Wie das Eis auf dem Sund, wenn es trug.
    Agnes hockte sich vor sie. Aleidas Augen wirkten blind und leer, obwohl sie Agnes ansah.
    » De brief Aleida . Ich habe ihn abgeschickt.« Ein Zucken in Aleidas Gesicht verriet ihr, dass sie die Worte verstanden hatte. Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie machte keine Anstalten, sie wegzuwischen, sondern starrte nur in die züngelnden Flammen.
    Agnes wärmte ihr Brühe auf und stellte einen tiefen Teller vor sie hin, aber als sie nach dem Löffel greifen wollte, fiel er ihr immer wieder aus der Hand. Ihre Finger waren noch zu kalt. Agnes hob das Besteck vom Boden auf, wischte es an ihrer Schürze ab und füllte den Löffel mit heißer Brühe. Vorsichtig hielt sie ihn an Aleidas aufgesprungene Lippen. Die Frau schluckte und verzog das Gesicht. Immer wieder tauchte sie den Löffel in die stärkende Bouillon, die Aleida

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