Die Waechter von Marstrand
Bohusläner Küste, mussten ihre Liebe zum Meer und der Respekt vor den alten Fischerdörfern entstanden sein.
Astrid war mit ihren frisch gebackenen Broten beschäftigt. Karin war sich nicht einmal sicher, ob sie zuhörte. Sie kam sich wie ein aufdringlicher Vertreter vor. Sie war kurz davor, es aufzugeben, beschloss aber, es noch ein paar Minuten zu versuchen. Erst als sie berichtete, dass sie mittlerweile auf ihrem Segelboot wohnte, wandte sich Astrid ihr zu.
»Gehört das Boot im Hafen dir?« Sie wirkte richtig interessiert.
»Ja.«
»Donnerwetter. Dann bist du die neue Freundin von dem kleinen Lindblom?« Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab.
»Johan, ja.«
»Möchtest du einen Kaffee? Und ein Butterbrot?«
»Gerne, vielen Dank.«
Astrid stapelte Teller und Tassen auf ein Holztablett mit Griffen.
»Im neunzehnten Jahrhundert war das Leben hier wohl nicht so einfach.« Sie stellte eine Zuckerdose dazu.
»Wovon haben denn die Leute damals gelebt?«, fragte Karin.
»Landwirtschaft und Fischerei«, sagte Astrid. »Der Bremsegård ist ja schon lange im Besitz meiner Familie.«
»Es muss hier in der Gegend jede Menge Trankochereien und Heringssalzereien gegeben haben«, sagte Karin. »Mein Vater hat mir die Überreste von Gebäuden auf Stensholm gezeigt. Aber als Anfang des neunzehnten Jahrhunderts der Hering verschwand, muss es schwierig für die Leute gewesen sein.«
Astrid schüttelte den Kopf.
»1808. Das kannst du laut sagen. Nimm das Tablett mit, wir setzen uns in die Sonne.«
Karin schnappte sich das Tablett. Das noch warme Brot duftete durch das bestickte Handtuch. Während sie zu den weißen Gartenmöbeln hinüberging, konnte sie es sich nicht verkneifen, einen Seitenblick auf das Plumpsklo zu werfen. An der Stelle, wo Jessica im Gras gelegen hatte, sah sie eine rote Plastikhülle. Wahrscheinlich hatte der Notarzt sie benutzt. Alles andere war weggeräumt worden, und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, dass hier erst kürzlich das Leben einer jungen Frau geendet hatte.
Astrid hängte ihre Schürze an einen Haken und setzte sich zu Karin.
»Kannst du mir etwas über das Leben damals erzählen? Wenn du hier so verwurzelt bist, musst du doch einiges wissen. Deine Großeltern haben bestimmt Dinge erzählt, die sie wiederum in ihrer Kindheit gehört haben.«
Astrid sah sie an.
»Doch«, antwortete sie zögerlich. »Deine Generation, die einfach den Heißwasserhahn aufdreht und die Lebensmittel aus dem Supermarkt holt, kann sich das alles wahrscheinlich nur schwer vorstellen.« Sie schenkte den Kaffee ein. Dann schraubte sie den Deckel von der Trockenmilchdose ab.
»Ah, Kaffeeweißer«, sagte Karin. »Den habe ich an Bord auch.« Sie verhielt sich äußerst vorsichtig, damit Astrid sich nicht wieder verschloss, sondern weitererzählte. »Wie haben sich die Leute über Wasser gehalten, als der Hering verschwand? Und wer hat hier in der Zeit gelebt?«
»Fischer und Bauern, aber auch Seeräuber«, sagte Astrid. »Banditen, die Feuer entzündeten, um Seefahrer anzulocken. Sie haben gesamte Besatzungen erschlagen, um an die Ladungen und die Schiffe heranzukommen.«
»Wie bitte? Ist das wahr? Hat dir das jemand erzählt?« Karin stellte ihre Kaffeetasse ab.
»In gewisser Weise, ja«, sagte Astrid.
Karin wurde plötzlich bewusst, dass sie über Informationen verfügte, die für Astrid möglicherweise interessant waren.
»Die Frau und das Kind im Moor«, sagte Karin. »Sie sind nicht verwandt. Es sind nicht Mutter und Sohn, wie wir zuerst glaubten. Die Frau ist ermordet worden, sie hat einen Schlag auf den Kopf erhalten. Mehr wissen wir nicht. Da der Fall so lang zurückliegt, hat die Polizei die Ermittlungen abgeschlossen. Ich würde so gern herausfinden, wer die beiden sind, und aus welchem Grund sie ins Moor geraten sind. Es wäre schön, wenn man sie unter ihren richtigen Namen begraben könnte. Weißt du vielleicht, ob hier Anfang des neunzehnten Jahrhunderts jemand verschwunden ist?«
Mit zittrigen Fingern stellte Astrid ihre Tasse ab, bevor der Kaffee überschwappte.
»Sie waren nicht Mutter und Sohn?«, fragte sie erstaunt und musterte Karin kritisch.
»Nein.« Karin überlegte fieberhaft, wie sie das Gespräch wieder auf Jessica und deren Hilferufe, die Astrid gehört haben musste, zurücklenken sollte. Im Moment wollte sie jedoch keinesfalls das Vertrauen zerstören, das sie sich bei Astrid erarbeitet hatte.
Astrid stand auf und verschwand im Haus. Als sie wiederkam,
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