Die Waechter von Marstrand
dem Wind segelten, war es warm an Deck. Die Yacht durchschnitt die Wellen und bewegte sich angenehm unter ihren Füßen.
»Darf man vielleicht um eine Tasse Kaffee bitten, wenn du fertig gegessen hast?« Sie löste ihn an der Ruderpinne ab.
»Unbedingt. Soll ich dir einen machen, bevor ich esse?« Johan stieg mit zwei Schritten die Leiter in die Kajüte hinunter.
»Nein, bist du verrückt? Iss in aller Ruhe.«
»Was hat die Andante für ein Rufzeichen?« Mit dem Teller in der Hand war Johan schon wieder halb an Deck.
»Sierra Foxtrott Charlie 3544, wieso fragst du?«
»Weil ich glaube, dass jemand versucht, dich über UKW zu erreichen.«
So weit entfernt von der Küste, wie sie sich jetzt befanden, hatte das Handy keinen Empfang. Funk war die einzige Möglichkeit, mit ihr in Kontakt zu treten. Vorausgesetzt, die Leute wussten, dass sie sich auf ihrer Yacht befand.
»Geh du ran«, sagte Karin. Johan stellte seinen Teller ab. Karin hörte ihn sprechen. Eine Weile später streckte er mit der Sprechmuschel vor dem Gesicht den Kopf aus der Luke.
»Sweden Rescue.« Er wollte das Gerät an Karin weitergeben, musste aber feststellen, dass das Kabel zu kurz war. »Die Leute sind wahnsinnig schwer zu verstehen.«
»Hast du von Kanal 16 umgeschaltet?« Sie fragte sich, was die Seenotrettungszentrale wohl von ihr wollte. Sweden Rescue war deren Bezeichnung im Funknetz.
Johan nickte.
»Ich habe den Kanal eingestellt, den sie mir vorgeschlagen haben.« Er warf einen Blick auf das Display. »Zuerst war vom Göteborgsmast, Kanal 24, die Rede, aber dann haben sie anscheinend gemerkt, dass Kanal 81 besser funktioniert, das ist der Tjörnmast.«
»Okay. Gut.«
Kanal 16 diente im UKW-Funk für Notfälle, ihn hatten alle eingeschaltet. Man nutzte ihn zur Kontaktaufnahme, aber um ein Gespräch zu führen, ging man zu einem anderen Kanal über. Nur in dringenden Fällen unterhielt man sich eventuell auf Kanal 16, aber das betraf vor allem die verschiedenen Rettungseinheiten untereinander.
Johan übernahm das Steuer, während Karin sich an die Einstiegsluke hockte, um sich anzuhören, was so wichtig war, dass es nicht warten konnte, bis sie wieder an Land waren. Je länger sie lauschte, desto tiefer wurden die Faltenauf ihrer Stirn. Mehrmals musste sie den Anrufer bitten, das eben Gesagte zu wiederholen.
»Ihre Position bitte …«, nach ein wenig Rauschen in der Leitung kehrte die Stimme zurück, »dringende dienstliche Angelegenheit.«
»Ich kann in ungefähr drei Stunden in Marstrand sein. Ansonsten müsstet ihr mich abholen.« Sie ließ die Sprechtaste los und drehte sich zu Johan um.
»Könntest du das Boot im schlimmsten Fall allein nach Hause segeln?«
Johan nickte.
»Im schlimmsten Fall. Ehrlich gesagt, ist das überhaupt kein Problem. Obwohl es zusammen natürlich mehr Spaß macht.«
»Ja, ich weiß. Tut mir leid. Sie versuchen schon seit geraumer Zeit, uns zu erreichen. Hier draußen hat man absolut keinen Empfang, und den UKW-Funk hatte ich so leise gestellt, dass wir ihn nicht bis draußen gehört haben.«
»Was ist passiert?«
»Das können sie nicht so direkt sagen, weil alle mithören, die Kanal 81 eingeschaltet haben. Sie haben aber den ›Vorfallcode 9012‹ erwähnt. Damit sind Todesfälle gemeint. ›0301‹ bedeutet in der Ermittlungssprache Mord. Eigentlich wird diese Bezeichnung nur intern verwandt, aber sie wollten mir wohl erklären, warum ich kommen soll.«
»Haben sie dir gesagt, wo?«
»Ja. Auf Klöverö.«
»Klöverö?«, fragte Johan verwundert. »Ist dort jemand gestorben? Wer denn?«
Schlagartig wurde Karin bewusst, dass Johan gerade zum ersten Mal erlebt, wie sie aus einem schönen Moment herausgerissen wurde.
»Mehr weiß ich nicht.«
Johan sah sie skeptisch an. Er schien ihr nicht recht zu glauben.
»Da sich die Küstenpolizei in der Nähe des Fundorts befand, verschaffen sich diese Kollegen einen ersten Eindruck und sammeln Zeugenaussagen. Vor Eintreffen der Kriminalpolizei darf sich niemand von der Stelle rühren.«
»Und was wird Kommissarin Adler tun, wenn sie dort eintrifft?«, fragte Johan.
Karin lächelte.
»Ich bespreche alles mit der Küstenpolizei, gehe sicher, dass die Kollegen nichts übersehen haben, und spreche mit den Personen, die den Fund gemacht haben. Dann sichern Jerker und die Techniker die Spuren, und vielleicht kommt auch die Rechtsmedizinerin dazu. Anschließend ist man meist ein bisschen klüger. Im Moment weiß ich ja überhaupt nicht, worum es
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