Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waechter von Marstrand

Die Waechter von Marstrand

Titel: Die Waechter von Marstrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Rosman
Vom Netzwerk:
beugen sollte, und beschloss, erst einmal abzuwarten.
    Weder im ersten Magazin noch im zweiten schien esProbleme zu geben. Der Kaufmann drehte die Listen so, dass sie auch etwas sehen konnte.
    »Einige unserer Lager werden nur geduldet, im Kriegsfall müssten wir sie abreißen. Mauritz hat Ihnen vielleicht davon erzählt?« Er sah sie an.
    »Nein.« Agnes schüttelte den Kopf.
    »Manchmal habe ich den Eindruck, dass sich jemand in meinen Magazinen bedient, aber diesmal scheint das nicht der Fall zu sein, jedenfalls nicht in diesen beiden.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf Agnes’ Liste und schob seine Brille hinauf.
    »Morgen überprüfen Sie die übrigen Lager.«
    »Natürlich.«
    Der Kaufmann stand auf, knöpfte seine Weste auf und ging zu einem Schrank. Mit einer Flasche und zwei Gläsern in der Hand kehrte er zurück.
    »Es ist nicht immer leicht, ein Kaufmann zu sein.« Er schenkte beide Gläser voll und reichte Agnes das eine. Ein kräftiger Geruch stieg ihr in die Nase. Sie sah sich vergeblich nach einer Möglichkeit um, das Getränk diskret auszuschütten.
    »Kopp in Nacken.« Der Kaufmann leerte sein Glas und klopfte sich auf die Brust. »Ah!«
    Agnes wusste sich keinen anderen Rat, als es ihm nachzutun. Der Kaufmann schenkte noch einmal ein.
    Einige Runden später waren sie zum Glück nicht mehr im selben Rhythmus. Kaufmann Widell hatte allmählich einen in der Krone. Agnes fühlte sich beschwipst und war froh, dass sie es nicht weit bis nach Hause hatte. Sie brauchte nur den Innenhof zu überqueren.
    »Die Schlüssel für morgen.« Der Kaufmann schwankte und lallte ein wenig. Er zog die Schublade so weit heraus, dass der Inhalt herausfiel. Verwundert betrachte er die vielen Schlüssel auf dem Boden und die Lade in seiner Hand. Dann beugte er sich hinunter, um den Inhalt aufzusammeln.Er reichte Agnes fünf Schlüssel und erklärte ihr, wo sich die Lagerräume befanden. Agnes notierte sich alles auf einem Blatt Papier und nahm die Schlüssel an sich.
    Sie wünschten einander einen angenehmen Abend. Agnes machte die Tür zu seinem Arbeitszimmer hinter sich zu und schloss die Eingangstür zum Kontor ab, weil sie zur Straße hinausging. Der Kaufmann war betrunken, aber es war vermutlich nicht das erste Mal, und seine Frau wusste mit Sicherheit, wo sie ihn suchen musste.
    Agnes öffnete die Tür zum Innenhof und erschauerte vor Kälte. Sie rutschte auf einer der Schieferplatten aus und wäre beinahe hingefallen, wenn Mauritz sie nicht am Arm gepackt hätte.
    »Komm mit.«
    »Wohin gehen wir?«, fragte Agnes.
    »Das ist eine Überraschung. Keine Sorge. Ich lade dich ein.« Er grinste.
    Agnes hatte nicht die geringste Lust, ihn zu begleiten, fühlte sich aber dazu gezwungen. Mauritz hatte von Anfang an einen Groll gegen sie gehegt, und nun war ihr auch noch eine Aufgabe zugewiesen worden, die eigentlich ihm zugedacht war. Ein bisschen freundlich zu ihm zu sein, war das Mindeste, was sie tun konnte. Außerdem hatte sie Hunger. Wenn Mauritz sie zum Essen einladen wollte, hatte sie nichts dagegen.
    Die Menschen, die um diese Zeit unterwegs waren, sahen anders aus als die Frauen an den Fischständen. Diese Gestalten hatten nichts zu verkaufen außer sich selbst. Die Ringe unter ihren Augen waren noch dunkler, die Blicke verzweifelter.
    Zwei Hände zogen Agnes am Mantel. Ein junges Mädchen sah sie verlegen an. Sie war höchstens zehn oder zwölf Jahre alt.
    »Ja?«, sagte Agnes zu dem Mädchen.
    »Willst du sie haben?«, fragte Mauritz.
    »Sie haben?«, fragte Agnes ahnungslos, doch dann ging ihr auf, was er gemeint hatte. »Nein, nein.« Agnes steckte die Hand in die Hosentasche und fingerte diskret einen Reichstaler heraus. Das war viel Geld, aber eine andere Münze hatte sie nicht bei sich. Sie strich über die Aufschrift »Vaterland« und betrachtete das Mädchen. Sein Kleid war viel zu dünn, und das Tuch, das es sich um die Schultern gelegt hatte, konnte gegen die Kälte nichts ausrichten.
    »Meine Mutter ist krank. Ich habe vier Geschwister, und wir haben nichts zu essen.« Die Augen des Mädchens wirkten so müde, als hätte es bereits allen Mut verloren.
    »Hier.« Agnes reichte ihr das Geldstück.
    »Bist du verrückt?« Mauritz packte sie. »Du kannst nicht alle retten. Komm jetzt, wir gehen etwas essen.«
    Agnes vermied es, sich noch einmal umzudrehen. Sie wollte den dankbaren Blick des Mädchens nicht sehen, und nicht all die anderen Frierenden, Hinkenden, Verkrüppelten, Hungrigen und Kranken, die

Weitere Kostenlose Bücher