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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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Gehirn vernebelt war von all den Pillen aus einem Versteck, von dem ihr Bruder keine Ahnung hatte, begriff in diesem überwältigenden Moment, daß sie diesen Bruder liebte. So, wie ihr Bruder auch sie liebte, auf jene Art, wie Mitglieder der Familie Stahlberg einander überhaupt zugetan sein konnten. Aber dennoch, trotz dieses warmen und wahren Gefühls, wußten sie es beide plötzlich ganz sicher: Sie hatten kein Vertrauen zueinander.
    Das war schon immer so gewesen, und sie schloß hinter ihm die Tür ab.
    Knut Sidensvans’ Wohnung lag in der Nähe des Carl Berners plass. Niedrige Klinkerbauten schienen sich in die grüne Lunge Ola Narr hineingefressen zu haben, wo einige kleine Kinder in dicken Overalls und mit Rodelbrettern herumstapften. Die Mütter standen in kleinen Gruppen zusammen, der eine oder andere Vater blieb für sich und rauchte eine Zigarette nach der anderen, um sich warm zu halten. Es war Zeit zum Abendessen. Keines der Kinder wollte nach Hause. Ein Junge schrie und heulte. Seine Mutter versuchte, ihn zu trösten. Hanne Wilhelmsen atmete tief durch. Das war Luft, die sie kannte, Kälte und gekochtes Gemüse, Tandori und LKW -Verkehr in der Finnmarksgate. Der Bus Nr.   20 schaukelte in Richtung Tøyensenteret davon.
    »Das war ein schöner Spaziergang«, sagte Silje Sørensen leicht außer Atem. »Gute Idee. Hier ist es eigentlich ziemlich schön, trotz des vielen Verkehrs.«
    »Ja«, sagte Hanne, »hier ist es schön.«
    Sie vermied es, sich nach Lille Tøyen umzuschauen, nach dem Klinkerblock, in dem sie in einer anderen Zeit gewohnt und gelebt hatte.
    Die Wohnung des vierten Mordopfers lag im ersten Stock, nach Osten. Der Schlosser saß auf der obersten Treppenstufe und schien sich zu Tode zu langweilen.
    »Endlich«, sagte er verärgert und warf einen oberflächlichen Blick auf die Papiere, die Hanne ihm hinhielt.
    Er brauchte vier Minuten, um die Tür zu öffnen.
    »Der Zylinder ist noch in Ordnung«, sagte er. »Soll ich ihn trotzdem austauschen, damit ihr einen neuen Schlüssel benutzen könnt?«
    »Warten Sie einen Moment«, sagte Hanne und betrat die Diele.
    In einem knallroten Schlüsselschrank fand sie das Gesuchte. Vorsichtig schob sie den Schlüssel in die Haustür.
    »Bingo«, sagte sie. »Wir nehmen lieber diesen mit. Danke. Bis dann.«
    Auf dem Gang gab es außer diesem Schlüsselschrank noch eine Reihe von Haken, an denen ein Regenmantel, eine Windjacke und ein Schal in Burberry-Imitat hingen.
    Im Wohnzimmer dagegen herrschte Chaos. Das Zimmer mochte an die fünfundzwanzig Quadratmeter groß sein, die drei Fenster wiesen nach Osten. Zwischen zweien davon war eine große Korktafel angebracht. Die restlichen Wände waren von oben bis unten mit überfüllten Bücherregalen bedeckt. Außerdem lagen überall auf dem Boden Stapel von Zeitungen und Zeitschriften, Büchern und Magazinen herum. Bei genauerem Hinsehen schien das alles eine Art System zu haben. Die Zeitungen waren nach dem Datum sortiert, und als Hanne sich über einen Stapel neben dem kleinen Heizofen in der Ecke beugte, fragte sie sich, ob zwischen allem auch eine Art thematischer Zusammenhang bestand.
    »Breites Spektrum an Interessen«, sagte Silje und hielt in der einen Hand eine intellektuelle Literaturzeitschrift und in der anderen etwas, das aussah wie ein Lehrbuch über Schwachstrom.
    »Mmm«, sagte Hanne abwesend und wandte sich dem Schreibtisch unter dem Fenster zu.
    Neben einem Scanner, zwei riesigen Druckern und vielen Stapeln leerer Papierbögen ragte ein moderner siebzehn-Zoll-Bildschirm auf. Dazu gab es mehrere Stapel mit Heften und Broschüren und etwas, wobei es sich um Computerausdrucke handeln konnte. Die Korkscheibe zwischen den Fenstern war ganz und gar bedeckt mit Zetteln, Zeitungsausschnitten, Notizen und der einen oder anderen Fotografie. Auf den ersten Blick konnte nichts davon Hannes Interesse wecken. Sie überflog einen Artikel über den Lachsparasiten Gyrodactylus und eine Liste mit E-Mail-Adressen.
    »Was haben sie eigentlich gesagt?«, fragte Hanne. »In seinem Verlag, meine ich.«
    »Daß er früher so eine Art Lehrbuchlektor war. Für alles, was mit Elektrizität zu tun hatte. Für Schulen, meine ich, nicht für die Uni. In den letzten Jahren haben sie ihm dann auch andere Aufträge gegeben. Artikel und so. Einen schreibt er übrigens wohl gerade für ein größeres Werk über Polizeigeschichte.«
    »Polizeigeschichte?«
    »Ja. So viele Einzelheiten weiß ich auch wieder nicht. Soll ich mich

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