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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Faith?«
    »Stellenweise.« Noch während er es ausspricht, fragt er sich, warum zum Teufel er ihr ehrlich geantwortet hat. Wäre es nicht einfacher, klüger gewesen, zu behaupten, er hätte Faith ganz von seiner Themenliste gestrichen?
    Aber das kann er nicht. Weil nämlich Mariah White irgendwann im Verlauf der vergangenen Woche aufgehört hat, eine Story zu sein, und sich in einen Menschen verwandelt hat, der ihm selbst nicht unähnlich ist. Sicher hat es ein paar bizarre Momente gegeben - Faith, die eine Schüssel Frühstückszerealien für ihre imaginäre Freundin auf den Tisch stellt, und Faith, die allein auf der Veranda sitzt und scheinbar Selbstgespräche führt. Aber Mariah hat sichtlich verlegen versucht, diese Zwischenfälle vor ihm zu verbergen, anstatt sie als Beweis für Faith’ Draht zu Gott vorzuzeigen. Er sagt sich, dass sie sich ebenso klug verhält wie er selbst, dass sie sich dumm stellt in der Hoffnung, Ian zu bekehren und als Fürsprecher zu gewinnen wie die anderen bemitleidenswerten Dummköpfe, die sich von Faith haben hinters Licht führen lassen. Er sagt sich das, weil die - undenkbare! - Alternative wäre, dass sein Gefühl ihn bei Mariah getäuscht hätte. Und wenn er sie falsch eingeschätzt hat, womit hat er dann noch Unrecht?
    »Wenn ich Sie fragen würde, was Sie über sie bringen wollen, würden Sie mir dann ehrlich antworten?«, will Mariah wissen.
    Ian denkt an Michael, an die Story, die er haben wird, wenn das alles vorbei ist. Aber er setzt eine verwirrte Miene auf und wendet den Blick ab. »Wenn ich es könnte, würde ich es Ihnen sagen, Mariah. Aber Fakt ist, dass ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt selbst noch nicht weiß, was ich berichten werde.«
     
    New Canaan, New Hampshire
     
    Joan Standish hat die Nachrichten und die zunehmende Berichterstattung über Faith Whites mysteriöses Verschwinden aus New Canaan verfolgt. Petra Saganoff beginnt jede Folge von Hollywood Tonight! inzwischen mit einem Countdown: Drei Tage ohne Faith, vier Tage. Der örtliche NBC-Ableger, ein durchaus seriöser Sender, hat sogar eine Livesendung zu diesem Thema gebracht, im Laufe derer ein Anrufer behauptet hat, er hätte Faith vor einem Kino in San Jose, Kalifornien, anstehen sehen - um dann seine Glaubwürdigkeit zunichte zu machen, indem er sich über den zugegebenermaßen sehr eigenwilligen Tanzstil Howard Sterns ausgelassen hat. Alles in allem hat sie der Angelegenheit keine große Aufmerksamkeit gewidmet, einmal abgesehen davon, dass sie Mitleid empfindet für das kleine Mädchen im Mittelpunkt dieses ganzen Trubels.
    Dann aber rief Malcolm Metz’ angesehene Anwaltskanzlei aus Manchester an und teilte ihr mit, dass man seit Dienstag vergeblich versuche, ihrer Klientin Unterlagen zuzustellen, genauer einen Sorgerechtsantrag von Colin White. Ihre Klientin? Wer konnte wissen, ob Mariah White überhaupt wünschte, von Joan vertreten zu werden? Sie hatte nicht mehr mit ihr gesprochen, seit das Scheidungsurteil rechtskräftig geworden war.
    Aber aus Gründen, die sie selbst nicht ganz versteht und auch nicht näher analysieren möchte, fährt sie in der Mittagspause zum Haus der Whites. Nichts von dem, was sie im Fernsehen gesehen hat, hat sie auf das Schauspiel der langen hügeligen Straße vorbereitet, die auf beiden Seiten gesäumt ist von Fahrzeugen mit heruntergeklappter Hecktür, die als Picknicktisch dient. Überall kleine Menschengruppen - die Medienvertreter und die anderen, jene, die glauben, Faith könnte ihnen helfen. Sie haben sich entlang der Mauer zwischen Grundstück und Straße aufgestellt, Pflegerinnen mit ihren an den Rollstuhl gefesselten Pfleglingen, Blinde mit Blindenhunden im Geschirr, neugierige Christen mit Kamera und übergroßen Kreuzen an viel zu dicken Ketten um den Hals.
    Gott, das mussten mindestens zweihundert Personen sein. Als sie an eine Straßensperre am Ende der Zufahrt gelangt, bringt sie ihren Jeep zum Stehen. Die Sperre ist mit zwei örtlichen Polizisten bemannt, die sie als eine der wenigen Anwälte des Ortes wiedererkennen. »Paul«, begrüßt sie den einen der beiden Beamten. »Das ist ja vielleicht was.«
    »Sie sind länger nicht hier gewesen, was?«, entgegnet der Polizist. »Sie sollten nach der Mittagspause wiederkommen, wenn die Sekte zu singen anfängt.«
    Joan schüttelt den Kopf. »Dann ist Mariah White also wirklich nicht zu Hause?«
    »Nein, da haben Sie Pech. Andererseits wären dann noch ein paar hundert Spinner mehr hier versammelt.«
    »Ist

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