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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Nichts auf diesem Altar opfern wollte. Was er fühlte, als sein Vater ihm ein Messer an den Hals hielt. Ob er geweint hat, ob er sich vor Angst in die Hose gemacht hat. In dieser Geschichte wird ein Kind zu egoistischen Zwecken missbraucht. Von Ihnen als gute Christen wird erwartet, Abraham zu respektieren dafür, dass er sich widerspruchslos Gottes Willen gebeugt hat. Aber ich werde Ihnen mal was sagen: Als Mensch kann ich keinerlei Respekt empfinden für diesen Mann. Ich verachte einen Gott, der Kinder dieser Art für seine Zwecke missbraucht. Und ich würde viel eher einem Vater vertrauen, der einem Despoten - auch wenn es sich um einen göttlichen handelt - die Stirn bietet, um sein Kind vor ihm zu schützen.« Er wölbt die Brauen, als die Kamera näher an ihn heranfährt. »Ich kann nur hoffen, dass Miss White - Faith’ Mutter - sich dieses vor Augen hält.«
    Jemand ruft: »Schnitt!«, und Ian wendet sich ab, nimmt von einem Assistenten ein Handtuch entgegen und wischt sich Schminke und Schweiß vom Gesicht. Von einem zweiten Assistenten lässt er sich seine Notizen geben und geht mit steifen Schritten zurück zum Winnebago, ohne auf das Stimmengemurmel seiner Zuhörer zu achten.
    Entweder haben sie es begriffen oder nicht.
    Seine Worte können verschiedentlich ausgelegt werden, und das weiß er selbst am besten. Entweder kann man seinen letzten Satz dahingehend interpretieren, dass er Mariah vorwirft, wie Abraham ihr Kind auszubeuten, nur weil Gott und die Medien es so haben wollen. Oder man versteht ihn so, dass er Mariah Anerkennung zollt dafür, dass sie anders als Abraham mit ihrer Tochter - zumindest vorübergehend - vor diesen rücksichtslosen Mächten geflüchtet ist.
    Aber im Grunde interessiert es ihn nicht weiter, in welcher Weise seine Fans ihn verstehen. Die einzigen Reaktionen, die ihn interessieren, sind jene Mariahs und James’. Er wünscht sich, dass Mariah ihn auf die eine Weise versteht und James auf die andere.
    Die Tür öffnet sich und schließt sich hinter dem ausführenden Produzenten wieder. James setzt sich an den Tisch und legt die Füße hoch. »Netter Auftritt«, sagt er freundlich. »Ich dachte nur, du würdest etwas mehr über das Kind sagen.«
    »Isaak?«
    »Faith White.« James zuckt die Achseln. »Ich meine nur, weil wir jetzt schon seit Wochen hier vor Ort sind. Ich glaube, die Zuschauer erwarten mehr.«
    »Mehr wovon?«
    »Mehr… ich weiß auch nicht. Mehr Herz. Mehr Biss. Mehr Beweise als Theatralik.«
    Ian fühlt einen Muskel an seinem Kiefer zucken. »Red nicht um den heißen Brei herum, James.«
    Der Producer hebt abwehrend eine Hand. »Heiland, jetzt geh mir nicht gleich an die Gurgel.«
    »Ist dir das Gerücht geläufig, ich wäre ein cholerisches Arschloch? Ich würde jetzt gerne diesem Image entsprechen.«
    »Ich sage ja nur, dass du mich von irgendwo angerufen hast, um mir zu sagen, du wärst da im Fall White auf etwas gestoßen. Und dann kommst du zurück, machst zwei Live-Sendungen und verlierst kaum ein Wort darüber. E’aith White ist hier unser Goldesel, Ian. Die Goldader. Isaak und Abraham? Ja, ja, wirklich nett, aber die kannst du dir für den Zeitpunkt aufsparen, wenn dein Vertrag mit dem Sender verlängert wurde.« Er mustert Ian forschend. »Ich hoffe für dich, dass du ein Ass im Ärmel hast. Dass du etwas auf der Spur bist, das einschlagen wird wie eine Bombe.« Als Ian hierauf schweigt, runzelt James ärgerlich die Stirn. »Hast du mich verstanden?«
    Ian dreht langsam den Kopf, bis sein Blick dem des Produzenten begegnet. »Bumm!«
    »Das ist Beteigeuze«, sagt Faith, mit dem Finger gen Himmel zeigend. »Und der rote gehört zum Orion.« Von dort, wo sie auf der zerlumpten Decke liegt, blinzelt Kenzie in den Nachthimmel. Sie zieht ihren Wintermantel enger um sich. »Das ist der Stier«, fügt Faith hinzu. »Und er ist so nah, weil Orion versucht, ihn zu erschießen.«
    »Du weißt aber eine ganze Menge über Steme.«
    »Das haben wir in der Schule gelernt, bevor ich zu Hause bleiben musste. Und mein Papa hat mir auch manchmal bestimmte Konstellationen gezeigt.«
    Es ist das erste Mal, dass Faith unaufgefordert Colin erwähnt hat. »Hast du dir gerne mit deinem Papa die Sterne angesehen?«
    »Ja«, entgegnet Faith leise.
    Kenzie winkelt die Knie an und versucht eine andere Taktik. »Mein Vater hat mit mir Hockey gespielt. Eishockey.«
    Faith lacht. »Sie haben Eishockey gespielt?«, fragt sie überrascht.
    »Ja, ich weiß. Ich war auch ein

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