Die Wahrheit der letzten Stunde
präzisieren, wohin. Ich habe es alle paar Stunden versucht, aber ohne Erfolg.
Meine Mutter meint, ich solle mich um Faith sorgen und nicht um Colin. Sie war jeden Tag hier bei uns und möchte wissen, warum ich es so eilig habe, nach Hause zu kommen. Im Krankenhaus können wenigstens weder Reporter noch religiöse Fanatiker an Faith heran.
Ich selbst bin natürlich zwischendurch zu Hause gewesen, um zu duschen und mich umzuziehen - die Sekte ist noch da, und der Winnebago ebenfalls, obwohl ich nichts mehr von Ian Fletcher gesehen habe seit jener Nacht. Das überrascht mich nicht. Was mich sehr wohl überrascht, ist, dass er nach Faith’ Einweisung ins Krankenhaus eine Live-Sendung gemacht hat, in der er ihre Wunden mit keinem Wort erwähnt hat.
»Ma«, jammert Faith. »Das ist schon das dritte Mal, dass ich dich rufe!«
Ich lächle sie an. »Entschuldige, Schätzchen. Ich habe dich nicht gehört.«
»Nein, du warst zu sehr mit Brüten beschäftigt«, knurrt meine Mutter.
Ich ignoriere sie. »Was möchtest du denn, Faith?«
»So ein Popsicle. Ein rotes.«
»Sicher.« Anstatt eine Schwester zu bemühen, gehe ich es selbst aus dem Kühlschrank am anderen Ende des Flurs holen. Ich öffne die Tür und sehe Ian Fletcher vor mir mit einem Polizisten diskutieren, der wohlweislich dort postiert wurde, um zu verhindern, dass Faith von Medienvertretern bedrängt wird, die sich unangekündigt an den Wachleuten vorbeigemogelt haben.
»Aber ich versichere Ihnen, dass sie mich zu ihr lassen wird, wenn Sie sie fragen«, beschwört Fletcher den Beamten.
»Was soll er sie fragen?«
Er lächelt mich an und deutet auf einen Strauß Rosen ins einer Hand. »Ich hatte gehofft, die kleine Patientin besuchen zu dürfen.«
»Meine Tochter kann jetzt nicht.«
Als wäre das ihr Stichwort gewesen, dringt Faith’ Stimme durch die Türöffnung. »He, Mami, wer ist denn da?«
Sie krabbelt ans Fußende des Bettes, sieht Ian Fletcher und errötet. »Ich sollte mich wohl bei Ihnen bedanken dafür, dass Sie mich letztens nachts nach Hause gebracht haben.«
Fletcher schiebt sich an mir vorbei ins Zimmer und hält Faith die Rosen hin. »Das ist nicht nötig. Edle Ritter so wie ich sind immer auf der Suche nach edlen Fräulein in Not.«
Faith kichert, und meine Mutter nimmt ihm die Blumen ab. »Sind die nicht traumhaft?«, ruft sie aus. »Faith, wo sollen wir die reinstellen?«
Mit einem entschuldigenden Achselzucken in Richtung des Polizisten gehe ich zurück ins Zimmer und schließe die Tür hinter mir. »Mir ist noch nie eine Frau begegnet, die keine Schwäche für Blumen gehabt hätte«, sagt Ian.
»Meine Mami muss von Rosen immer niesen«, bemerkt Faith.
»Dann werde ich mir das merken müssen.« Fletcher wendet sich mir zu. »Und wie macht sie sich?«
»Es geht ihr schon viel besser.«
Sein Blick bleibt auf mich gerichtet. »Ja«, sagt er. »Sie sieht großartig aus.«
Wir werden von meiner Mutter unterbrochen, die sich mit dem Wasserkrug voller Rosen zwischen uns hindurchschiebt. Als sie den Strauß auf dem Nachttisch abstellt, lässt Ian sich auf die Bettkante sinken. »Hat dir schon jemand gesagt, wann du wieder nach Hause darfst?«
»Noch nicht«, antworte ich.
»Ich will nach Hause«, mault Faith. »Hier riecht es komisch.«
»Es riecht nach Krankenhaus«, stimmt Ian ihr zu. »Als würde jemand ständig die Toiletten reinigen.«
»Haben Sie schon mal im Krankenhaus gelegen?«
Ein Schatten huscht über sein Gesicht. »Ich selbst nicht.« Er blickt zu mir auf. »Könnte ich Sie eine Sekunde sprechen?«
Er deutet auf den Flur. Ich nickte meiner Mutter wortlos zu und folge ihm hinaus. Gleich lässt er die Bombe platzen, sage ich mir. Gleich wird er mir eröffnen, dass ich trotz seines mustergültigen Benehmens und der gelben Rosen damit rechnen kann, dass ein Kamerateam dabei sein wird, wenn Faith das Krankenhaus verlässt. »Sie wollten mich sprechen?«
Er steht keinen halben Meter vor mir, und unsere Schultern lehnen an den gegenüberliegenden Seiten des Türrahmens. Ian räuspert sich. »Also …«
»Mrs. White.« Beim Klang von Dr. Blumbergs Stimme zucke ich erschrocken zusammen. »Schön, dass Sie da sind. Ich würde gern mit Ihnen über Faith sprechen. Würden Sie mich bitte in den Aufenthaltsraum am Ende des Flurs begleiten?«
Obwohl ich auf dieses Gespräch gewartet habe, fange ich jetzt, da es soweit ist, an zu zittern. Ich weiß instinktiv, dass der Arzt keine guten Nachrichten für mich hat; Ärzte haben
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