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Die Wahrheit der letzten Stunde

Die Wahrheit der letzten Stunde

Titel: Die Wahrheit der letzten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ihrem Hals hinunter. »Ich verschaffe mir nur einen Vorsprung.« Der Gedanke, ihre Mutter zurückzulassen, ist ihr unerträglich - nicht nur wegen der Herzgeschichte vor kurzem, sondern einfach, weil sie nicht nur Mariahs Mutter, sondern auch ihre beste Freundin ist. Aber sogar Millie sieht ein, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tun muss, um Faith zu behalten. Und einfach ausgedrückt kann Mariah einfach nicht zulassen, dass sie - wieder - von Menschen und Ereignissen, die sich ihrer Kontrolle entziehen, überrollt wird.
    Sie hat Millie nichts von Colins Drohung erzählt, ihr das Sorgerecht streitig zu machen, und sie hat ihr auch nicht erzählt, wohin sie will. Auf diese Weise wird ihre Mutter, wenn Anwälte … oder Reporter oder Ian Fletcher sie bedrängen, nicht lügen müssen. Mariah dreht sich um und schlingt ihrer Mutter die Arme um den Hals. »Ich rufe dich an. Sobald ich kann, sobald ich weiß, dass es sicher ist.«
    Faith zwängt sich zwischen sie. »Zieh dich um, Oma, sonst verpassen wir noch das Taxi.«
    Mariah streicht Faith über das Haar. »Liebes, Oma muss hierbleiben.«
    »Hier?«
    »Nicht hier. Aber in unserem Haus, um auf alles aufzupassen.«
    Faith scheint ihre Worte gar nicht aufzunehmen. »Oma muss mitkommen«, beharrt sie.
    Mariah hat Faith nichts von diesem Teil des Plans erzählt, und das genau aus diesem Grund; das ist das Einzige, was sie dazu veranlassen kann, sich querzustellen. »Faithele«, sagt Millie und geht vor ihrer Enkelin in die Hocke. »Es gibt nichts, was ich lieber täte, als mit euch im Taxi mitzufahren. Aber das geht nicht.«
    »Weil jemand den Wagen nach Hause fahren muss«, sagt sie nach einer Weile. »Aber du kommst doch später nach?«
    Millie blickt zu Mariah auf. »Darauf kannst du wetten.« Sie stopft die Kleider, die Faith gewechselt hat, in den Rucksack und streift ihrer Enkelin die Trageriemen über die Schultern. »Sei brav«, sagt sie und drückt Faith einen Kuss auf die Stirn. Mariah nimmt Faith’ Hand und führt sie aus der Damentoilette. An der Tür dreht Faith sich noch einmal um und wirft ihr eine Kusshand zu. Als die beiden weg sind, setzt Millie sich in eine der Kabinen und malt sich tausenderlei aus, das schiefgehen kann, jetzt, da Mariah und Faith davongelaufen sind, malt sich tausenderlei aus, das hätte schief gehen können, wenn sie nicht davongelaufen wären.
     
    Malcolm Metz legt beide fähigen Hände auf die polierte Oberfläche seines Schreibtischs. »Lassen Sie mich noch einmal rekapitulieren, Mr. White. Erst vor zehn Wochen haben Sie freiwillig das Sorgerecht für Ihre Tochter Ihrer Frau überlassen. Und jetzt möchten Sie, dass sie zu Ihnen und Ihrer neuen Frau zieht.«
    Colin nickt. Er versucht, sich nicht eingeschüchtert zu fühlen von den Büroräumen von »Walloughby, Krieger and Metz«; vor sechs Monaten, als er sie mit beleuchteten Notausgangschildern ausgestattet hat, sind sie ihm viel weniger beeindruckend vorgekommen. Aber damals ging es ja auch nur ums Geschäft. Dieser Besuch ist viel privaterer Natur, und es steht viel auf dem Spiel.
    »Das ist richtig.« Er mustert Metz bedächtig, von seinem kurzen salz-und-pfefferfarbenen Haar bis zu den italienischen Schuhen. Metz ist für seinen unerschütterlichen Siegeswillen bekannt und in New Hampshire so etwas wie eine lebende Legende unter Anwälten.
    Der Rechtsanwalt tippt die Fingerspitzen gegeneinander. »Und was hat diesen Sinneswandel bewirkt?«
    Colin fühlt, wie ihm langsam brennende Röte ins Gesicht steigt. »Meine Ex-Frau ist verrückt geworden. Meine Tochter wird gegen mich aufgehetzt. Ich mache mir Sorgen um sie. Suchen Sie sich etwas aus.«
    Metz hört das alles nicht zum ersten Mal. Tatsächlich hat er in weniger als zwei Stunden einen Gerichtstermin als Scheidungsanwalt der Ehefrau einer Mafia-Größe, und er wäre jetzt viel lieber auf der Direktoren-Toilette, um noch einmal seinen Auftritt zu proben, bevor er sich den Kameras stellt, die ganz sicher zugegen sein werden. Ein Sorgerechtsfall wie dieser - nun, den dürfte er im Schlaf gewinnen.
    »Was genau hat Ihre Frau getan, das Ihre Tochter gefährdet?«
    »Was haben Sie von dem kleinen Mädchen gehört, das Gott gesehen hat?«
    Malcolm, der dazu übergegangen ist, mit den Fingern auf die Tischplatte zu trommeln, hält inne. »Das Mädchen, das mit Gott spricht. Das ist Ihre Tochter?«
    »Ja. Nein.« Colin seufzt. »O Scheiße. Ich weiß es nicht mehr. Vor der Auffahrt stehen zweihundert Leute, die alle glauben,

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