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Die Wahrheit des Alligators

Die Wahrheit des Alligators

Titel: Die Wahrheit des Alligators Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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ich halt, um Galderisi anzurufen.
    »Nun, was hat der große Boß gesagt?«
    »Er ist einverstanden, aber er will nur hieb- und stichfeste Nachrichten bringen. Mein Artikel erscheint morgen. Also müssen wir uns heute abend treffen.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage. Unser Kontakt wird ausschließlich telefonisch bleiben. Wenn ich Material für Sie habe, sage ich Ihnen, wo Sie es abholen können.«
    »Sie machen einen Fehler, wenn Sie mir nicht trauen. Das Berufsgeheimnis wird bei dieser Zeitung sehr ernst genommen.«
    »Daran zweifle ich nicht. Aber es besteht die Gefahr, daß die Bullen nach dem ersten Artikel Lunte riechen und der Spur nachgehen. Ich rufe Sie in einer halben Stunde wieder an, um Ihnen die ersten Informationen durchzugeben. Machen Sie ruhig das Tonband fertig … wenn es nicht schon läuft.«
    »Touché! Sie sind wirklich auf Zack …«
    »Bis gleich.«
    Ich wählte eine freistehende Telefonzelle beim Messegelände, und in einer Viertelstunde hatte ich alles erledigt. Ich hinterlegte ihm Material in einem Umschlag. Beim Öffnen würde er darin zwei Fotos finden. Auf dem ersten war Piera Belli beim Kokainschnupfen zu sehen – hinter ihr war Alberto Magagnin mit nacktem Oberkörper zu erkennen –, auf dem zweiten war die Frau in Gesellschaft des Mannes mit der Ledermaske. »Schönen Sonntag, du Mistkerl«, wünschte ich letzterem, während ich die Telefonzelle verließ.
    Den Großteil der Nacht verbrachte ich im Biko’s, einem Lokal etwas außerhalb der Stadt, lauschte der Gitarre und der Harmonika von Claudio Bertolin – meiner Ansicht nach der einzige echte Bluesman des Veneto.
    Ich trank viel. Mehr als gewöhnlich. Benjaminos Worte hatten eine alte Wunde wieder aufgerissen, und auch der Calvados genügte nicht, um sie wieder zu schließen. Die große Liebe meines Lebens war mir schon begegnet, aber sie hatte mich verlassen, während ich das letzte Jahr als Freigänger verbüßte. Sie hatte mir aus der Bretagne einen Brief geschickt, nur wenige Zeilen: Ich bleibe hier. Ein anderes Land, ein anderes Leben, ein anderer Mann. Ich liebe Dich nicht mehr und werde Dich vergessen. Viel Glück.
    Ich glaubte, den Verstand zu verlieren, und sobald ich konnte, fuhr ich zu ihr. Ich war sicher, ich würde sie überzeugen können, zu mir zurückzukehren. Ich fand sie in einem Lokal in Brignogan, beim Austern essen und Chablis trinken, in Gesellschaft eines Typen, der mir überhaupt nicht ähnlich sah. Sie sah mich nicht hereinkommen. Sie war zu sehr von ihrem Verliebtsein in Anspruch genommen. Ich bemerkte, daß sie einen Schuh ausgezogen hatte, ihr Fuß streichelte das Bein des Mannes. Ich ging an den Tresen. Mein Kiefer war so verkrampft, daß ich nichts bestellen konnte. Der Wirt musterte mich, dann lächelte er mir zu und setzte mir eine reichliche Menge eines bernsteinfarbenen Likörs vor. Meine Hände zitterten, und ich mußte beide zu Hilfe nehmen, um das Glas an die Lippen zu führen. Ich trank in kleinen Schlucken. Jetzt fühlte ich mich besser. Viel besser. »Was ist das?« fragte ich, auf die Flasche deutend. »Calvados«, sagte er in verschwörerischem Ton. »Gut. Geben Sie mir eine Flasche und bringen Sie eine Flasche Champagner an den Tisch, wo diese wunderschöne Frau mit dem Muttermal auf der linken Wange sitzt. Aber erst, wenn ich draußen bin.« Ich zahlte und ging.
    Seitdem fühle ich mich wie ein Meteor, der ins Leben geschleudert wurde. Ich habe andere Frauen kennengelernt, aber jedesmal war mir klar, daß ich nicht bei ihnen bleiben würde. Jeder hat so seinen Blues. Meiner ist die Erinnerung an eine Frau, die mich verlassen hat, während ich im Gefängnis saß.

    Love. Only a memory.
    In poems and blues songs
    and saxophone screams.

    Am nächsten Tag wachte ich mit erheblichen Kopfschmerzen auf, und nach einer ausgiebigen Dusche beschloß ich, die Zeitung kaufen zu gehen. Ich mußte nachsehen, ob Galderisi sein Versprechen gehalten hatte. Noch bevor ich beim Zeitungskiosk angekommen war, wurde mir klar, daß alles nach Wunsch lief: Ich begegnete mehreren Leuten, die den Kopf in die Zeitung steckten, und anderen, die schon aufgeregt miteinander diskutierten.
    Erschütternde Enthüllungen im Fall Piera Belli. Kokain und Sadomaso. Ist Magagnin unschuldig? titelte die Zeitung über die ganze Seite. Der Leitartikel des Chefredakteurs, Die Justiz braucht Gewißheit, forderte die Staatsanwaltschaft höflich auf, den Fall wieder aufzurollen und insbesondere das Privatleben von Piera Belli

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