Die Wahrheit des Alligators
Probleme machen könnte. Alvise antwortete, er könne ganz beruhigt sein, die Situation sei unter Kontrolle. Da hörte ich den anderen, wie er voller Genugtuung sagte: ›Das war wirklich eine geniale Idee, diese dumme Schnepfe zu überreden, die Verteidigung des Junkies zu übernehmen …‹«
»Und was passierte dann?« drängte ich sie. »Ich tat, als wäre nichts gewesen. Vor Gericht versuchte ich mit allen Mitteln, Magagnin herauszuholen, aber das Gericht bestätigte das Urteil, wie zu erwarten war. Natürlich beendete ich die Beziehung mit Alvise. Er rächte sich, indem er meinen Mann über alles aufklärte, was zwischen uns gewesen war. Piero verlangte die Trennung. Er hat mir nie verziehen. Sartori setzte mir noch lange zu, er betrachtete mich als sein Eigentum. Er hat nie geheiratet, hatte verschiedene Geliebte, die alle völlig zerstört aus diesen Beziehungen hervorgingen.«
Ein längeres Schweigen trat ein. Ich brach es: »Was wollen Sie wissen?«
»Alles, was ich noch nicht begriffen habe.« Ich sah Benjamino an, und er gab ein Zeichen der Zustimmung. »Kommen Sie mit, im Wagen haben wir eine Kassette, die Sie anhören sollten.«
Rossini fuhr und spielte wie üblich mit seinem Kettchen; ich hingegen beobachtete die Frau im Rückspiegel: Als sie Crapa Pelada hörte, hielt sie sich die Ohren zu. Sobald das Band aus war, bat sie uns: »Ich möchte, daß Sie Alberto sagen, daß es mir leid tut. Von dem Moment an, als mir klar wurde, daß ich benutzt worden war, habe ich versucht, ihm zu helfen, daß seine Strafe so milde wie möglich ausfallen sollte. ich hoffe, er kann mir verzeihen.«
»Gut Süßholz geraspelt, Frau Anwältin«, erwiderte Benjamino hart. »Haben Sie vielleicht vergessen, daß Magagnin fünfzehn Jahre lang im Gefängnis geschmort hat, während Sie sich von demjenigen vögeln ließen, der das ganze Spiel so gezinkt hatte, daß Magagnin verurteilt wurde? Beweisen Sie doch wenigstens jetzt so viel Geschmack, keinen Schwachsinn von sich zu geben.«
»Aber was wollen Sie jetzt tun? Alvise festnageln?«
»Benjamino, halt an«, schaltete ich mich ein. »Die Signora steigt hier aus. Adieu, Rechtsanwältin Foscarini. Ab jetzt treten Sie von der Bühne ab. Und ab jetzt sollten Sie den Mund halten. Allen gegenüber, vor allem aber gegenüber Sartori. Wenn er Sie fragen sollte, leugnen Sie alles, auch das Offensichtliche. Das sage ich nur zu Ihrem Besten.«
Ich hörte die Wagentür hinter mir zuschlagen. Nach diesem kurzen Halt fuhr der Wagen mit quietschenden Reifen wieder an.
Als Rossini am nächsten Morgen aufstand, fand er mich in einem Sessel im Wohnzimmer zusammengekauert: auf einer Armlehne einen Aschenbecher voller Zigarettenkippen, am Boden eine leere Flasche Calvados.
»Deine Augen sind rot, Marco. Du siehst aus wie ein Kolumbianer nach einer Koka-Orgie. Willst du einen Kaffee?« Ich folgte ihm in die Küche.
»Benjamino, wir müssen einen Analytiker konsultieren.«
»Einen Seelenklempner?«
»Sehr witzig.«
»Marco, Unterweltanalytiker sind keine sehr empfehlenswerten Leute: Sauberes Vorstrafenregister, gute Ausbildung und verquere Denke. Wenn wir zu einem von denen hingingen, weißt du, was der tun würde, nachdem wir ihm diese Geschichte erzählt haben? Er würde unseren Tod in Auftrag geben, anfangen, die Foscarini zu erpressen, Giusy Testa und ihre netten Freunde zwingen, das Kokain für den Eigenbedarf zu importieren, seine Hand auf die Prostituiertenkette legen. und vor allem: Er würde sich mit Sartori einigen. Solche Leute können die immer brauchen.«
»Ich dachte nicht an einen aus der Unterwelt.«
»An wen dann?«
»An Max, ›das Gedächtnis‹.«
»Der Name ist mir nicht neu. Ich habe ihn einige Male von den Brigadisten im Gefängnis nennen hören. Ist er Terrorist?«
»Nicht im gängigen Sinn des Wortes. In den siebziger Jahren organisierte er für eine Gruppe der außerparlamentarischen Linken den Bereich Gegeninformation. Er hatte ein Netzwerk von unverdächtigen Informanten auf die Beine gestellt, und er spionierte alles und jeden in dieser Stadt aus. Vor einigen Jahren haben reumütige Terroristen ihn beschuldigt, Informationsmaterial an Gruppen im bewaffneten Kampf weitergegeben zu haben, und seither ist er untergetaucht. Aber ich weiß, daß er sich hier in Padua versteckt hält und weiter spioniert, sein Netzwerk ist nie zerschlagen worden. Es ist nicht gesagt, daß die Sache ihn interessiert. Er ist ein Einzelkämpfer, der das, was er weiß, im Sinne
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