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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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zu denken – und seine Mütze wieder aufgesetzt. Bis zum Morgengrauen hatte er das Video als Endlosschleife abgespielt. Die Frau im dunklen, mit violetten Chrysanthemen bestickten Kimono, die Diegos Überreste hinter sich herschleppte. Ihre weiße schlitzäugige Maske mit dem roten Mund. Die jähe Geste, mit der sie die Kamera außer Gefecht setzte. Und das alles unmittelbar neben den schlafenden Kindern.
    Die Mörderin musste Japanerin sein. Es war weder der Kimono noch die Maske, die Passan zu dieser Überzeugung veranlassten. Verkleiden konnte sich jeder. Es waren die Gestik und ihre Art, auf die Kamera zuzugehen. Kleine Schritte, große Geheimnisse … Nach mehrmaligem Ansehen der Bilder war ihm noch ein drittes Indiz aufgefallen. Oberhalb der Maske konnte man den Haaransatz erkennen: ein glänzendes Schwarz, das er gut kannte.
    Weitere wichtige Einzelheiten waren der Preis des Kimonos und der Maske. Sollte er die asiatischen Antiquitätenhändler aufsuchen? Es wäre kein Problem; er kannte sie alle.
    Passan schob diese Gedanken beiseite, nahm den Kaiken und steckte ihn in die Jackentasche.
    »Nimmst du ihn mit?«, fragte Fifi entgeistert. »Er ist ein Beweisstück.«
    »Was willst du denn damit beweisen? Du hast eben selbst gesagt, dass es keine Spuren gibt. Er ist ein Geschenk, und er liegt mir am Herzen.«
    »Mag schon sein. Trotzdem könnte er uns helfen.«
    »Wobei?«
    »Laut Rudel ähnelt die Waffe, mit der euer Hund getötet wurde, diesem Messer. Wir wollen versuchen, alle Messer dieses Typs aufzufinden. Angesichts des japanischen Kontexts ist der Kaiken immerhin ein Hinweis.«
    Passan, der an seinem Schreibtisch saß, machte eine Bewegung, die so viel bedeutete wie: »Vergiss es.« Er fühlte sich erschöpft, doch die Müdigkeit versetzte seine Nerven in Alarmbereitschaft.
    »Hat Rudel einen Tierarzt gefunden?«, erkundigte er sich.
    »Hat er. Sie haben den ganzen Vormittag zusammen gearbeitet.«
    »Gibt es schon Ergebnisse?«
    »Die werden dir nicht gefallen.«
    Passans Blick blieb an seinem Computer hängen. Die No-Maske sah ihn mit ihrem Ausdruck versteinerter Grausamkeit an.
    »Die Frau hat zunächst seinen Bauch geöffnet und anschließend Muskeln und Sehnen zerschnitten, um die Organe herauszulösen.«
    »Was mag sie sein? Jägerin?«
    »Möglicherweise auch Veterinärin oder Ärztin.«
    Japanische Wurzeln. Medizinische Kenntnisse. Know-how in Sachen Einbruch. Psychologie eines Gespenstes. Das alles fügte sich nicht zusammen und schien allenfalls einem schlechten Traum zu entspringen.
    »Es gibt da noch etwas«, fuhr Fifi zögernd fort.
    »Nämlich?«
    »Sie hat das getan, während der Hund noch lebte. Er lebte und war gefesselt.«
    »Unmöglich«, gab Passan zurück. »Er hätte einen Riesenterror veranstaltet und die ganze Bude geweckt.«
    »Der Tierarzt sagt, dass sie ihm zunächst die Stimmbänder durchgeschnitten hat.«
    Passan war fix und fertig. Er schluckte schwer.
    »Diego wog über sechzig Kilo«, wandte er ein. »Er hätte sich doch sicher gewehrt und Lärm gemacht.«
    »Möglicherweise hat sie ihn zuvor betäubt. Auf jeden Fall hat sie ihm die Pfoten zusammengebunden. Die Toxizitätsanalysen laufen, aber Ergebnisse haben wir noch nicht.«
    Passans Blick kehrte zum Monitor zurück. No-Masken werden nach Gesichtsausdruck einordnet. Diese hier stellte je nach Neigung eine lachende oder eine traurige Frau dar.
    »Hat Zacchary Spuren oder Fingerabdrücke gefunden?«
    »Nichts, was der Rede wert wäre.«
    »Wie konnte die Frau ins Haus gelangen, ohne dass ihr sie gesehen habt?«
    »Das muss uns wohl irgendwie durchgegangen sein.«
    Fifi stellte seinen Laptop auf den Schreibtisch und klappte ihn auf.
    »Schau dir das einmal an.«
    Er ließ die Bilder aus dem Kinderzimmer im Zeitraffer ablaufen. Weder Shinji noch Hiroki waren zu sehen. Schwaches Dämmerlicht erhellte das Zimmer. Es war deutlich vor dem Drama.
    Mit einem Klick kehrte Fifi zur normalen Geschwindigkeit zurück.
    Plötzlich sah man Naoko von hinten. Sie durchquerte das Zimmer und betrat das Bad. Sie trug eines der leichten, schnörkellos geschnittenen Kleider, in denen sie meist zur Arbeit ging. Dieses hier war Passan allerdings unbekannt. In der Hand trug sie eine Sporttasche.
    »Was siehst du?«, fragte Fifi.
    »Naoko, die ins Bad geht.«
    Fifi tippte auf die Leertaste und hielt das Bild an.
    »Achte auf die Uhrzeit.«
    »20.11 Uhr. Ja und?«
    Fifi verkleinerte die Darstellung und öffnete ein neues Fenster, in dem die

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