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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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eigentlich erdrückenden Fakten hatte der Richter ihn freigelassen. Zwischen seinem Opfer und ihm selbst gab es keine Verbindung. Und damit auch keine Legitimation für die nächtliche Aktion des Kriminalbeamten. Sicher würde man wieder eine Untersuchung anordnen, neue Verhöre und Befragungen durchführen. Aber er hatte nichts zu befürchten; er konnte zu jeder seiner Aktionen während der letzten fünf Tage Rede und Antwort stehen. Und mit Leila Moujawad war er nie zusammengetroffen.
    Auf keinen Fall durfte er sich von dem einmal eingeschlagenen Weg abbringen lassen. Er musste den traumatisierten, ganz und gar unschuldigen Eigentümer spielen und Anzeige gegen unbekannt erstatten. Wer hatte bei ihm eingebrochen? Wer hatte dieses unsägliche Gemetzel bei ihm angerichtet? Wie sollte man so etwas erklären? Es wäre nicht einfach, aber er würde es hinbekommen.
    Kritisch waren nur die Beweisstücke, die er auf dem Brachgelände hinter dem Clos-Saint-Lazare hatte liegen lassen müssen. Unmöglich, danach zu suchen – er konnte nur beten, dass sie nicht gefunden wurden.
    Ein weiteres Problem war die Werkstatt in Stains. Er würde erklären müssen, warum dieses Gebäude in den Büchern der Holding nirgends auftauchte. Und darauf hoffen, dass keine organischen Spuren der anderen Opfer gefunden wurden. Aber eigentlich hatte er immer alles mit Feuer gründlich gereinigt, sodass nichts ihn verraten konnte.
    Die einzig wirkliche Bedrohung war und blieb der Feind. Manchmal nannte er ihn auch den »Jäger« oder »Ritter der Finsternis«.
    Bei dem Gedanken an den Polizisten wurde Guillard unwillkürlich wieder von einer Welle der Angst überrollt. Hastig trank er einen Schluck Cola. Olivier Passan würde nie aufgeben. Diesem Mann ging es weder um die Ermittlung noch um seinen Job – er war einfach besessen. Eine gegenläufige, negative Kraft, die seinem Projekt diametral entgegenstand.
    Welcher Gott hatte ihm ein solches Hindernis in den Weg gestellt? Worin lag der Sinn dieser Prüfung?
    Die Autobahnschilder zeigten Nanterre, La Défense und Neuilly-sur-Seine an.
    Er liebte diese Autobahn. Die A 86. Die Passage zwischen den Departements 93 und 92, Seine-Saint-Denis und Hauts-de-Seine. Die Strecke seines eigenen Lebens. Von den schmutzigen Wohnsilos in La Courneuve zu den Luxusvillen in Neuilly-sur-Seine. Stufe für Stufe hatte er die soziale Leiter erklommen, um dieses Ziel zu erreichen. Um den Bodensatz hinter sich zu lassen und sich aus dem Elend seiner Herkunft zu erheben. Er hasste die dummen und intoleranten Spießbürger in seinem Umfeld, aber in Neuilly sicherte ihm sein Geld zumindest eine Oase des Friedens. In seiner Villa fühlte er sich wie in einem Elfenbeinturm. Hier hatte er die Freiheit, seinen Schmerz zu lindern und seine Wiedergeburten zu bewältigen.
    Erneut musste er an den Jäger denken. Ob er sein Geheimnis kannte? Wahrscheinlich. Immerhin hatte man ihm im Polizeigewahrsam einen Abstrich für einen DNA-Test entnommen. Schon bei der Erinnerung überkam ihn ein Zittern.
    Passan war kein Polizist wie die anderen. Jeder Mann und jede Frau strahlt sowohl männliche als auch weibliche Schwingungen aus. Der dominierende Prozentsatz wird durch das physiologische Geschlecht bestimmt, doch die anderen Schwingungen sind ebenfalls immer vorhanden. Als er Passan jedoch zum ersten Mal zu Gesicht bekam, war er ehrlich verblüfft. Dieser Polizist schien nicht weit entfernt von der absoluten Reinheit zu sein. Er war fast hundertprozentig maskulin. Ein Metall ohne Schlackereste.
    Im Gespräch mit Passan hatte er seine Unruhe überwunden und freundlich lächelnd auf jede Frage geantwortet. Der Besuch des Jägers hatte lediglich der Sondierung gedient, und die Spur, die er verfolgte, war wirklich nur Zufall. Eines der Opfer hatte einen Wagen in seinem Autohaus in Saint-Denis gekauft, die zweite Frau hatte ihr Auto in seiner Werkstatt in La Courneuve reparieren lassen. Daran gab es nichts zu deuteln – es war ein zufälliges Zusammentreffen. Daher hatte er auch nicht die geringsten Schwierigkeiten gehabt, dem Polizisten Rede und Antwort zu stehen und dabei überrascht und irritiert zu wirken.
    Doch Passan ließ sich nicht täuschen. Er war seinetwegen gekommen, und Guillard ahnte, dass dieser Polizist einen Instinkt besaß, der seinem eigenen ähnelte. Und so begann das Duell. Der weitere Verlauf gab seinen Vermutungen recht. Fortan wurde er verfolgt, gefilzt und verhört. Passan hatte sich auf ihn eingeschossen. Sogar

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