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Die Wahrheit des Blutes

Die Wahrheit des Blutes

Titel: Die Wahrheit des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Plötzlich hob er den Kopf. Nein! Das Gegenteil war der Fall. Er hatte sich einen Vorsprung erlaufen. Der Zug musste natürlich an der Station Stalingrad anhalten. Aber genau hier lag auch der Schwachpunkt seines Plans. Guillard konnte ebenso gut hier wie auch an der folgenden Station Jaurès aussteigen. Gut war nur, dass die Haltestellen ihm gestatteten, als Erster an der Station Colonel-Fabien anzukommen.
    Er startete wieder durch und suchte erneut seinen Rhythmus. Die Seitenstiche waren noch immer da, doch er ignorierte sie einfach. Als Kind hatte er mit einem Trick gearbeitet: Er lief so regelmäßig wie möglich weiter, ohne auf die Schmerzen zu achten. Und irgendwann löste sich die Qual in der Gleichgültigkeit auf.
    Passan verlangsamte seinen Schritt, als er die Polizeiwache des 10. Arrondissements passierte. Gruppen von Polizisten standen auf dem Bürgersteig herum. Blaulicht warf unruhig zuckende Leuchtzeichen in die graue Straße. Aber Passan hatte jetzt keine Zeit für Erklärungen. Ein einzelner auf der Straße rennender Mann würde jedoch mit Sicherheit die Aufmerksamkeit seiner Kollegen erregen. Gruß- und blicklos schlenderte er an den Polizisten vorbei und wusste, dass er für sie unsichtbar war.
    Fünfzig Meter weiter beschleunigte er wieder seinen Schritt und lief schließlich erneut so schnell er konnte. Er sah sein Spiegelbild in den Glaswänden des paritätischen Arbeitsschiedsausschusses vorüberflitzen. War er noch in der Zeit? Er überquerte den Canal de Saint-Martin.
    Das Bogengerüst der Metro kam jetzt wieder näher. Die weite Kurve endete hier. Und was noch besser war: Der Zug näherte sich. Passan konnte sein Pfeifen in der warmen Luft hören.
    Wieder gab er Gas. Die Straße erschien ihm wie zwischen Licht und Schatten zerstückelt. Nur noch zweihundert Meter. Er fixierte den großen hitzeflimmernden Platz, der vor ihm lag. Ihm war, als verschlinge er Meter für Meter, um ein wenig Luft zu bekommen. Von links kam ein kreischendes Geräusch. Die Wagen der Metro tauchten wieder unter die Erde ab. Der oberirdische Teil war hier zu Ende. Passan rannte weiter, nahm immer gleich zwei Stufen auf einmal, strauchelte, fing sich wieder – und stand vor den Automatiktüren.
    Unsanft schob er einen Fahrgast beiseite, der gerade sein Ticket abstempelte, und sprang über das Drehkreuz. Richtung Nation. Die nächste Treppe. Der Sirenenton brach sich unter dem Gewölbe. Die Türen schlossen sich. Mit den Schultern blockierte er den Mechanismus, wand sich zwischen den Gummilippen hindurch und schaffte es gerade noch in den Wagen.
    Die Fahrgäste betrachteten ihn mit bestürzter Miene. Er lächelte flüchtig in die Runde, wischte sich das Gesicht ab und stellte fest, dass er sich im gleichen Wagen befand, den er an der Station Chapelle verlassen hatte. Guillard war im nächsten Wagen gewesen. Vielleicht hatte er Passans Heldenstück ja sogar mitbekommen.
    Passan ging zum Ende des Waggons und warf einen Blick in den Nachbarwagen. Er versuchte jetzt nicht mehr, sich zu verstecken. Aber Guillard war nicht mehr da. Passan konnte es kaum fassen. Die Metro wurde langsamer. Belleville.
    Mit einem unterdrückten Fluch verließ er den Waggon und betrat den nächsten. Kein Guillard. Wütend sprang er wieder auf den Bahnsteig und zwängte sich beim Ton der Sirene in den dritten Wagen. Auch hier kein Guillard.
    Das Miststück musste an den Stationen Stalingrad oder Jaurès ausgestiegen sein.
    Mit einem Mal wurde Passan ganz ruhig. Im allerletzten Moment sprang er aus dem Wagen und ließ sich auf dem Bahnsteig in einen der Sitze sinken. Ihm war sterbensübel. Das Blut pulsierte in seinen Schläfen. Alles tat ihm weh. Er fühlte sich, als hätte er heftige Prügel bezogen.
    Die Metro fuhr los. Es wurde still auf dem Bahnsteig.
    Erst jetzt bemerkte Passan, dass sein Handy klingelte.
    »Hallo?«
    »Fifi hier. Wo bist du? Alle Welt sucht dich.«
    Passan hob den Kopf und erblickte das Schild mit der Aufschrift »Belleville«.
    »Nirgends.«
    »Ich warte in Nanterre auf dich. Beeil dich. Serchaux hat ein paar interessante Informationen für dich, und ich habe mit den Feuerwehren Kontakt aufgenommen. Überall da, wo Guillard gewohnt hat.«
    Erst mit Verzögerung wurde Passan klar, worum es Fifi ging.
    »Und? Hast du Fälle von Brandstiftung gefunden?«
    »Der Lebenslauf dieses Kerls ist das reinste Feuerwerk.«

46
    An der Avenue Jean Jaurès ging Guillard in einen Basar und kaufte sich eine neue Kappe und eine

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