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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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»Ich muss am Sonntag eine Pawlova zu meiner Schwiegertochter transportieren, da käme mir so ein Behälter-Dingsda ganz recht.«
    Cecilia war sich ganz sicher, dass Rachel nichts bestellt hatte, was zum Transport einer Torte geeignet wäre. Aber sie würde etwas finden und es ihr einfach schenken. Alles in Ordnung, John-Paul, ich habe der Mutter deines Mordopfers Tupperware geschenkt, ihr seid also quitt !
    »Bis heute Nachmittag dann, ihr beiden!«, rief sie und winkte so fest mit dem Schlüsselbund, dass er ihr aus der Hand flog.
    »Hopsala!«, rief Samantha.

40
    Liam gewann den zweiten Preis in der Ostermützen-Parade.
    »Na, sieh mal einer an, was passiert, wenn man mit einem der Juroren schläft!«, säuselte Lucy leise vor sich hin.
    »Mum, pssst!«, zischte Tess und warf einen flüchtigen Blick über ihre Schulter, ob nicht irgendwer die Lauscher gestellt hatte. Außerdem wollte sie Liam nicht im Zusammenhang mit Connor sehen. Das würde alles durcheinanderbringen. Liam und Connor, das waren zwei verschiedene Paar Stiefel.
    Sie schaute ihrem kleinen Jungen nach, der über den Schulhof hüpfte, um seine goldene Trophäe entgegenzunehmen, die bis zum Rand mit Ostereiern gefüllt war. Er drehte sich nach Tess und Lucy um und warf ihnen ein stolzes Lächeln zu.
    Tess konnte es kaum erwarten, Will heute Nachmittag davon zu erzählen.
    Halt. Moment. Sie würden ihn ja gar nicht sehen.
    Gut. Sie würde ihn anrufen. Sie würde in jenem gut gelaunt kalten Ton sprechen, den Frauen an sich haben, wenn sie vor ihren Kindern mit ihren Exmännern sprachen. So wie einst ihre eigene Mutter. »Liam hat gute Neuigkeiten!«, würde sie Will erzählen. Und dann würde sie Liam den Hörer in die Hand drücken und sagen: »Erzähl deinem Vater, was du heute erlebt hast!« Tess wusste genau, wie das geht. Und wie sie es wusste!
    Es wäre sinnlos, die Ehe Liam zuliebe zu retten zu versuchen. Das wäre albern. Selbsttäuschung. Zu denken, dass es nur auf die richtige Strategie ankäme. Von jetzt an würde Tess sich anständig benehmen. Sie würde sich benehmen, als wäre das alles eine gewöhnliche, ganz normale, gütliche und einvernehmliche Trennung, die seit Jahren zu erwarten gewesen war. Und möglicherweise war sie das sogar.
    Denn wie sonst käme sie dazu, sich letzte Nacht so mir nichts, dir nichts auf Connor einzulassen? Und wie sonst käme Will dazu, sich in Felicity zu verlieben? Es musste Probleme in ihrer Ehe gegeben haben; Probleme, die sie nicht gesehen hatte, die sie auch jetzt nicht benennen konnte, die nichtsdestotrotz aber da gewesen waren.
    Worüber hatten Will und sie sich das letzte Mal gestritten? Es wäre ganz gut, sich jetzt auf die negativsten Aspekte ihrer Ehe zu konzentrieren. Tess versuchte krampfhaft, sich zu erinnern. In ihrem letzten Streit war es um Liam gegangen. Um das »Marcus-Problem«.
    »Vielleicht sollten wir überlegen, ihn auf eine andere Schule zu schicken«, hatte Will gesagt, nachdem Liam mal wieder am Boden zerstört gewesen war, weil irgendetwas auf dem Schulhof vorgefallen war. »Scheint mir ein klein wenig übertrieben«, hatte Tess geblafft. Sie hatten einen hitzigen Streit gehabt, als sie nach dem Abendessen zusammen die Spülmaschine einräumten. Tess hatte sämtliche Schubladen lautstark zugeschlagen. Und Will hatte ein Riesen-Fass aufgemacht, weil sie die Bratpfanne in die Spülmaschine geräumt hatte, und sie demonstrativ wieder herausgenommen. Am Ende schrien sie sich nur noch an, und Tess machte irgendeinen dämlichen Kommentar von wegen: »Du denkst also, ich kümmere mich nicht gut genug um Liam! Aber du, ja?« Und Will brüllte zurück: »So ein Schwachsinn!«
    Doch wenige Stunden später hatten sie sich wieder versöhnt. Sie hatten sich gegenseitig entschuldigt, und es war auch kein bitterer Nachgeschmack geblieben. Will war keiner, der den Beleidigten spielte. Er war vielmehr ganz gut darin, Kompromisse auszuhandeln. Und er verlor fast nie seinen Sinn für Humor oder die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. »Hast du gesehen, wie ich deine Bratpfanne gerettet habe?«, sagte er. »Ein Meisterstreich, was? Das hat dir einen echten Dämpfer versetzt, nicht wahr?«
    Ganz kurz spürte Tess nun, wie ihr befremdlich unangemessenes Glücksgefühl ins Wanken geriet. Es war, als balancierte sie über einem schmalen Spalt, unter ihr nur jähe Abgründe voll Schmerz und Leid. Ein falscher Gedanke, und sie würde stürzen, hinunter in die Tiefe.
    Denk nicht an Will! Denk an Connor!

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