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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen nicht unbedingt so aus.«
    »Mir geht es gut«, wollte Cecilia eigentlich sagen, denn sie war stinksauer, dass er sich erlaubt hatte, sie so rabiat in die Realität zurückzuholen. Doch sie war nicht imstande, zu sprechen oder gar zu atmen, und just in diesem Augenblick sackten ihr die Beine weg. Der Trainer packte sie um die Taille und hieb mit der flachen Hand auf den Knopf, um das Laufband zu stoppen.
    »Sie müssen mit Ihrer Kraft haushalten, Mrs. Fitzpatrick«, erklärte er und half ihr vom Laufband herunter. Er hieß Dane. Dane leitete einen Muskelaufbaukurs, der sehr beliebt war und großen Zulauf hatte. Jeden Mittwochmorgen nahm auch Cecilia daran teil, bevor sie ihren wöchentlichen Großeinkauf erledigte. Danes Haut war glatt und geschmeidig. Er war jung, etwa so alt, wie John-Paul gewesen war, als er Janie Crowley ermordet hatte. »Ich schätze mal, Ihr Blutdruck ist himmelhoch«, sagte er und schaute sie mit klaren, ernsten Augen an. »Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen ein Trainingsprogramm zusammenstellen, das …«
    »Nein, danke«, keuchte Cecilia. »Danke, aber ich bin … ich wollte eigentlich gerade gehen.« Sie machte sich davon, so schnell ihre wackeligen Beine sie trugen, rang nach Atem, spürte, wie sich der Schweiß zwischen ihren Brüsten in ihrem BH sammelte, und ignorierte Danes wohlmeinende Ratschläge, zur Beruhigung erst einmal ein paar Dehnübungen zu machen oder zumindest ein wenig Wasser zu trinken. Mrs. Fitzpatrick, Sie müssen trinken, Sie brauchen Flüssigkeit .
    Auf dem Nachhauseweg beschloss sie, dass sie so auf gar keinen Fall weitermachen könnte. Es war unmöglich. John-Paul müsste ein Geständnis ablegen. Andernfalls würde er sie zu einer Straftäterin, einer Mittäterin machen. Es war absurd.
    Als sie daheim unter der Dusche stand, fuhren ihre Gedanken Karussell – ein Geständnis würde Janie nicht wieder lebendig machen, ihre Töchter würden ihren Vater verlieren, wozu also das Ganze? Doch ihre Ehe war kaputt. Sie konnte nicht mehr mit John-Paul leben. So viel stand fest.
    Cecilia zog sich wieder an und traf eine endgültige Entscheidung: John-Paul sollte sich gleich nach Ostern der Polizei stellen und Rachel Crowley die Antworten geben, die sie verdiente, und die Mädchen würden ganz einfach mit einem inhaftierten Vater leben müssen.
    Und während sie sich die Haare föhnte, wurde ihr schlagartig klar, dass nichts wichtiger war als ihre wunderbaren Töchter. Sie kamen an erster Stelle, hatten oberste Priorität. Cecilia liebte John-Paul nach wie vor, schließlich hatte sie einmal versprochen, ihm treu zu sein in guten wie in schlechten Zeiten, und das Leben würde weitergehen, so wie es immer wieder weiterging. Ja, er hatte einen grausamen Fehler begangen, als er siebzehn gewesen war. Und eigentlich bestand keinerlei Notwendigkeit, diesbezüglich irgendetwas zu unternehmen, zu sagen oder zu ändern.
    Sie stellte den Föhn aus und hörte das Telefon klingeln. Es war John-Paul.
    »Ich wollte nur sehen, wie es dir geht«, begann er sanft, als wäre sie krank. Nein, vielmehr so, als litte sie unter einer kurzzeitigen, frauenspezifischen psychischen Belastungsstörung, an einer, die sie zerbrechlich und wahnsinnig machte.
    »Fabelhaft«, sagte sie. »Einfach fabelhaft. Danke der Nachfrage.«

41
    »Frohe Ostern!«, sagte Trudy Applebee zu Rachel, als sie nachmittags zusammen im Schulsekretariat waren und etwas aufräumten. »Hier, ich habe eine Kleinigkeit für Sie.«
    »Oh!«, murmelte Rachel, gerührt und ärgerlich zugleich, da sie selbst gar nicht auf die Idee gekommen war, Trudy etwas zu schenken. Sich gegenseitig zu beschenken war unter der alten Schulleitung nicht üblich gewesen. Und auch der Austausch verbaler Nettigkeiten war höchst selten gewesen.
    Trudy reichte ihr einen hübschen, kleinen Osterkorb voll mit leckeren und teuer aussehenden Ostereiern, so wie die, die Lauren kaufen würde: teuer und exquisit. Genau richtig.
    »Danke vielmals, Trudy, ich habe gar nichts …« Rachel machte eine entschuldigende Handbewegung.
    »Nein, nein.« Trudy winkte ab, um zu bedeuten, dass sie gar nichts erwartet hatte. Sie steckte noch immer in ihrem Hasenkostüm und sah in Rachels Augen darin absolut albern aus. »Ich möchte einfach, dass Sie wissen, wie sehr ich Ihre Arbeit schätze, Rachel. Sie schmeißen hier das ganze Büro und lassen mich … nun, Sie lassen mich so … wie ich bin.« Sie hob ein Schlappohr hoch, das ihr vor den

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