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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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›Ich könnte Bäume ausreißen‹, hat er geantwortet. Nun, das klingt für mich nach einem Mann, der verliebt ist. Oder zumindest eine tolle Nacht gehabt hat. Das muss ich Janet erzählen. Oder besser nicht. Die arme Janet! Ich denke, sie hat ihn sehr gemocht, auch wenn er ein bisschen seltsam war. Ups! Da fällt er, der Vogelkäfig. Ich habe es kommen sehen.«
    Ich könnte Bäume ausreißen .
    Morgen war Janies Todestag, und Connor Whitby fühlte sich so gut, dass er Bäume ausreißen könnte!

39
    Cecilia beschloss, die Parade vorzeitig zu verlassen. Sie musste sich bewegen. Wenn sie noch länger still saß und vor sich hin brütete, so dachte sie, war das gefährlich. Polly und Esther hatten beide gesehen, dass sie da war, und nun stand nur noch die Siegerehrung durch die Jury an. Cecilias Töchter würden sowieso nicht gewinnen, da sie den Juroren vergangene Woche (vor gefühlten Tausenden von Jahren) eingetrichtert hatte, sie nicht gewinnen zu lassen. Sie wusste, dass sich viele empören würden, wenn die Fitzpatrick-Mädchen zu viele Auszeichnungen bekämen, denn das roch nach Vetternwirtschaft und würde viele vergraulen, sich freiwillig für die Schule zu engagieren.
    Sie würde in diesem Jahr auch nicht mehr für den Vorsitz im Elternbeirat der Schule kandidieren. Dieser Gedanke kam Cecilia mit absoluter Gewissheit, als sie sich bückte, um ihre Handtasche vom Boden aufzuheben. Und sie spürte Erleichterung, sich wenigstens einer Sache sicher zu sein, was die Zukunft betraf. Egal, was als Nächstes passieren mochte, auch wenn nichts passierte, sie würde nicht mehr kandidieren. Es war einfach nicht mehr möglich. Sie war nicht mehr Cecilia Fitzpatrick. Sie hatte in dem Moment aufgehört zu existieren, da sie den Brief gelesen hatte.
    »Ich gehe jetzt«, erklärte sie Mahalia.
    »Ja, geh nach Hause und ruh dich aus!«, antwortete Mahalia. »Ich hatte kurz den Eindruck, du wirst ohnmächtig, als du dich eben gebückt hast. Behalt den Schal um! Steht dir übrigens gut.«
    Cecilia ging über den Schulhof und entdeckte Rachel Crowley, die zusammen mit Samantha Green vom Balkon vor dem Schulsekretariat aus die Parade verfolgte. Die beiden hatten den Blick in die andere Richtung gewandt. Wenn sie schnell genug war, kam sie ungesehen an den beiden vorbei.
    »Cecilia!«, hörte sie da Samanthas Stimme.
    »Hi!«, rief Cecilia zurück, und in ihrem Kopf entlud sich eine heftige Fluchtirade. Sie ging auf die beiden zu, schwenkte ihren Autoschlüssel betont vor sich her, um ihnen zu bedeuten, dass sie es eilig hatte, und blieb in gemessenem Abstand vor ihnen stehen.
    »Auf dich habe ich gewartet!«, rief ihr Samantha entgegen. »Hattest du nicht gesagt, ich kriege meine Tupperware-Bestellung noch vor Ostern? Wir planen für Sonntag nämlich ein Picknick, vorausgesetzt, das Wetter hält. Und da habe ich gedacht …«
    »Natürlich«, sagte Cecilia und trat etwas näher an den Balkon. Sie hatte völlig vergessen, die Bestellungen auszufahren, was sie eigentlich gestern hatte erledigen wollen. »Entschuldige vielmals! Aber diese Woche war … turbulent. Ich komme heute Nachmittag vorbei, nachdem ich die Mädchen abgeholt habe.«
    »Wunderbar«, sagte Samantha. »Ich bin schon richtig gespannt auf dieses Picknick-Set und kann es kaum erwarten, es in Händen zu halten. Warst du auch schon einmal auf einer von Cecilias Tupper-Partys, Rachel? Die Frau könnte sogar Eskimos Eis verkaufen!«
    »Ja, war ich in der Tat. Vorgestern.« Rachel warf Cecilia ein Lächeln zu. »Ich hatte keine Ahnung, wie sehr mir diese Tupper-Partys gefehlt haben.«
    »Ich könnte dir auch gleich deine Bestellung vorbeibringen, wenn du möchtest«, schlug Cecilia vor.
    »Wirklich? Ich hatte so bald gar nicht damit gerechnet. Ist denn alles schon geliefert worden?«
    »Ich halte sämtliche Sachen vorrätig«, erklärte Cecilia. »Für alle Fälle.« Wieso machte sie das?
    »Eilzustellung für Promi-Kunden, was, Cecilia?«, meinte Samantha, die sich diese Information für künftige Bestellungen bestimmt merken würde.
    »Macht mir nichts aus.« Cecilia versuchte, ihre Blicke auf Rachel zu lenken, doch es wollte ihr nicht gelingen, selbst aus sicherer Entfernung nicht. Rachel Crowley war eine so nette Person! Würde es ihr leichterfallen, ihr zu begegnen, wenn sie keine nette Person wäre? Sie tat, als wäre sie abgelenkt von Mahalias Schal, der ihr gerade von den Schultern rutschte.
    »Wenn es keine Umstände macht, gern«, antwortete Rachel jetzt.

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