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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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Flur. Aber so ist das eben in der Ehe. Die Ehe ist ein warmer Apfel-Muffin.
    Will musste an Felicity gedacht haben, als sie miteinander geschlafen hatten.
    Der Gedanke traf sie wie ein Schlag.
    Er war besonders zärtlich gewesen, fiel ihr wieder ein. Sie hatte sich sehr geachtet gefühlt. Nur, dass er sie gar nicht achtete, nein, er bemitleidete sie. Vielleicht hatte er sich sogar gefragt, ob dies wohl ihr letzter Geschlechtsakt als Mann und Frau sein würde.
    Der Schmerz fuhr ihr unmittelbar durch alle Glieder – wie Eis, das zerbricht. Sie drückte ihre Beine fester an Connors Körper und beugte sich nach vorn, als könnte sie sich in ihn hineindrücken. Als sie an der nächsten Ampel warten mussten, langte Connor nach hinten und streichelte ihren Oberschenkel, und sogleich war ihre sexuelle Lust geweckt. Sie wurde sich klar darüber, dass der Schmerz, den sie wegen Will und Felicity verspürte, alle anderen Gefühle intensivierte: Was sich ohnehin gut anfühlte (wie das plötzliche Anfahren oder Connors Hand auf ihrem Schenkel), fühlte sich noch besser an. Vergangene Donnerstagnacht hatte sie ein angenehmes, dumpfes, schmerzfreies, kleines Leben geführt. Diese Donnerstagnacht fühlte sich an wie in ihrer Jugendzeit: ungemein schmerzhaft und sagenhaft schön.
    Doch egal, wie weh es tat – sie wollte nicht zu Hause in Melbourne sein, backen, fernsehen und Rechnungen schreiben. Sie wollte genau hier sein, auf diesem Motorrad sitzen, mit klopfendem Herzen, und spüren, dass sie lebendig war.
    Es war nach neun Uhr abends. Cecilia und John-Paul waren im Garten; sie saßen im Umkleidehäuschen neben dem Swimmingpool. Hier war der einzige Ort, an dem sie ungestört waren und keine Mithörer hatten. Ihre Töchter hatten die außerordentliche Gabe, Dinge mitzubekommen, die nicht für ihre Ohren bestimmt waren. Cecilia hatte die Mädchen durch die Französischen Türen im Blick, sah ihre Gesichter, die vom flackernden Licht des Fernsehers erleuchtet waren. Es war Tradition, dass sie am ersten Abend in den Schulferien bei Popcorn so lange wach bleiben und fernsehen durften, wie sie wollten.
    Cecilia wandte den Blick von ihren Töchtern ab und sah in das flimmernde Blau des nierenförmigen Swimmingpools mit der starken Unterwasserbeleuchtung: das perfekte Symbol für Vorstadtglück. Aus dem Poolfilter war ab und zu ein eigenartiges Geräusch zu hören, das klang wie ein Baby mit Schluckauf. Auch jetzt war es wieder da. Cecilia hatte John-Paul vor Wochen schon gebeten, nach dem Filter zu sehen, noch bevor er nach Chicago geflogen war, doch er hatte nie Zeit dafür gefunden. Aber hätte sie einen Handwerker mit der Reparatur beauftragt, hätte John-Paul ein Mordsgezeter gemacht. Er hätte es als mangelndes Vertrauen in seine handwerklichen Fähigkeiten gedeutet. Dabei hätte er es gar nicht selbst reparieren können und sowieso einen Handwerker bestellen müssen, sofern er mal dazu gekommen wäre. Warum war das nicht Teil seines lebenslänglichen Sühneprogramms: Erledige unverzüglich alles, was deine Frau von dir verlangt, damit sie nicht meckern kann!
    Sie sehnte sich förmlich danach, hier draußen mit John-Paul zu sitzen und ganz normal mit ihm über diesen verdammten Poolfilter zu streiten. Selbst ein noch so schlimmer, alltäglicher Streit, bei dem Gefühle verletzt würden, wäre allemal besser als diese permanente riesengroße Angst. Cecilia konnte sie überall spüren – in ihrem Bauch, in ihrer Brust, sogar in ihrem Mund nahm sie den scheußlichen Geschmack wahr. Was machte die Angst mit ihrer Gesundheit?
    Cecilia räusperte sich. »Ich muss dir etwas sagen.« Sie wollte ihm sagen, dass Rachel Crowley ihr heute erzählt hatte, sie habe einen neuen Beweis gefunden. Wie würde John-Paul reagieren? Würde er sich erschrecken? Würde er weglaufen ? Zu einem Flüchtigen werden?
    Rachel hatte nicht näher ausgeführt, um was für eine Art Beweis es sich handelte, da sie plötzlich abgelenkt gewesen war, als Cecilia ihren heißen Tee verschüttet hatte. Und Cecilia selbst war derart panisch gewesen, dass sie gar nicht auf die Idee gekommen war nachzufragen. Ich hätte fragen müssen , dachte sie jetzt. Es wäre vielleicht nützlich gewesen zu wissen. Sie war noch nicht allzu geübt in ihrer neuen Rolle der Ehefrau eines Verbrechers.
    Aber sie hatte auch überlegt, dass Rachel möglicherweise gar nicht wusste, wer es war, der da in diesen Beweis verwickelt war, denn sonst hätte sie Cecilia sicher nichts davon

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