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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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Cecilia plötzlich. »Der könnte auch jemand anderen meinen.«
    »In diesem Fall müsste ich mich stellen«, sagte John-Paul matt. »Das würde ich selbstverständlich tun.«
    »Selbstverständlich«, wiederholte Cecilia.
    »Es scheint einfach unwahrscheinlich«, meinte John-Paul. Er klang erschöpft. »Findest du nicht? Nach all den Jahren?«
    »Ja«, pflichtete Cecilia ihm bei. Sie sah, wie er den Kopf hob und seinen Blick zum Haus und zu den Mädchen lenkte. In der Stille klang der Poolfilter umso lauter. Nein, es klang nicht wie ein Baby mit Schluckauf. Es klang wie der keuchende Atem von etwas Unheimlichem, wie das Keuchen eines Monsters aus einem gruseligen Albtraum, das auf sie zukroch.
    »Ich sehe morgen mal nach dem Filter«, sagte John-Paul, den Blick auf seine Töchter geheftet.
    Cecilia erwiderte nichts. Sie saß da und atmete im Gleichtakt mit dem Monster.

44
    »Das hier ist so etwas wie ein ultimatives zweites Date«, sagte Tess.
    Sie saß mit Connor auf einer niedrigen Steinmauer mit Blick über Dee Why Beach und sie tranken heiße Schokolade aus Pappbechern. Das Motorrad war hinter ihnen geparkt, das Chrom glänzte im Mondlicht. Die Nacht war kalt, aber in der großen Lederjacke, die Connor ihr gegeben hatte, war Tess wohlig warm. Die Jacke roch nach seinem Aftershave. »Ja, es ist normalerweise von ganz besonderem Zauber.«
    »Ich fand deinen Zauber bereits bei unserem ersten Date unwiderstehlich«, erwiderte Tess. »Doch ich hoffe, du hast deinen verführerischen Zauber nicht schon völlig verbraucht.«
    Wie das klang! Sie klang wie ein freches kleines Mädchen, das versucht, etwas über die Person des neuen Lovers herauszubekommen. Oder so, als versuchte sie, Felicity zu sein, was ihr aber eher schlecht als recht gelang. Die magischen, großen Gefühle, die sie eben noch auf dem Motorrad bewegt hatten, waren wie weggeblasen. Und jetzt fühlte sie sich unbeholfen und verlegen. Es war zu viel. Der Mondschein, das Motorrad, die Lederjacke, die heiße Schokolade. Es war schrecklich romantisch. Klassische romantische Momente waren noch nie ihr Ding gewesen. Sie hatten sie schon immer zum Kichern gebracht.
    Connor sah sie mit todernster Miene an. »Das neulich abends war also ein erstes Date.« Er hatte graue, ernste Augen. Im Unterschied zu Will lachte Connor nicht viel. Doch das wiederum machte sein gelegentliches tiefes, leises Lachen umso wertvoller. Es geht um Qualität nicht um Quantität – merk dir das, Will !
    »Na ja«, sagte Tess. Ob er ihre Verabredungen auch als Date betrachtete? »Ich weiß nicht, ich meine …«
    Connor legte seine Hand auf ihren Arm. »Nein, war ein Scherz. Entspann dich! Wie gesagt. Ich bin einfach nur glücklich, Zeit mit dir zu verbringen.«
    Tess nahm einen Schluck heiße Schokolade und wechselte das Thema. »Was hast du heute Nachmittag gemacht? Nach der Schule?«
    Connor kniff die Augen leicht zusammen, als überlegte er, und zuckte dann mit den Schultern. »Ich bin Laufen gegangen, habe mich auf einen Kaffee mit Ben und seiner Freundin getroffen, und, ach ja, ich war bei meiner Therapeutin. Wie jeden Donnerstag um sechs. Neben ihrer Praxis gibt es ein indisches Restaurant. Nach den Sitzungen gehe ich dort immer essen. Therapie und vorzügliches Lammcurry. Ich weiß nicht, warum ich in deiner Gegenwart immerzu von meiner Therapie rede.«
    »Hast du deiner Therapeutin von mir erzählt?«, fragte Tess.
    »Natürlich nicht.« Er lächelte.
    »Hast du also.« Sie stupste sacht mit dem Finger an sein Bein.
    »Na gut, ich habe ihr von dir erzählt. Verzeih. Es war eben eine Neuigkeit. Ich mache mich gern interessant für sie.«
    Tess stellte ihren Becher neben sich auf der Mauer ab. »Was hat sie gesagt?«
    Er blickte sie flüchtig an. »Du hast offensichtlich nie eine Therapie gemacht. Die Therapeuten sagen nichts, höchstens Dinge wie ›Und wie haben Sie sich dabei gefühlt?‹ oder ›Warum, meinen Sie, haben Sie das gemacht?‹«
    »Ich wette, sie war nicht einverstanden mit mir.« Tess betrachtete sich durch die Augen der Therapeutin: eine Exfreundin, die ihm vor Jahren das Herz gebrochen hatte, die urplötzlich wieder in seinem Leben auftauchte und gerade mitten in einer Ehekrise steckte. Tess fühlte sich in der Defensive: Aber ich habe es nicht darauf angelegt. Connor ist ein erwachsener Mann. Möglicherweise wird ja etwas daraus. Es stimmt, ich habe seither so gut wie nie mehr an ihn gedacht, doch ich könnte mich durchaus in ihn verlieben. Und bin

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