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Die Wahrheit eines Augenblicks

Die Wahrheit eines Augenblicks

Titel: Die Wahrheit eines Augenblicks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Moriarty
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den bürokratischen Abläufen hatte sie keine Ahnung.
    »Alles unter Kontrolle«, antwortete Rachel. So wie sie Cecilia in ihrem Job behilflich war, so half sie auch Trudy in ihrem, denn wieso sollten die Kinder von St. Angela nicht auch einmal eine Schulrektorin aus dem Feenreich haben?
    »Schön, schön! Dann verlasse ich mich auf Sie!«, sagte Trudy, schwebte weiter in ihr Büro und zog die Tür lautlos hinter sich zu, vermutlich, damit sie Feenstaub über ihre Tastatur streuen konnte, da sie an ihrem Computer gewiss nicht viel anderes tat.
    »Du liebe Güte, die ist aber ein ganz anderes Kaliber als Schwester Veronica-Mary!«, murmelte Lucy.
    Rachel schmunzelte beifällig. Sie erinnerte sich noch sehr gut an Schwester Veronica-Mary, die von 1965 bis 1980 Schulrektorin gewesen war.
    Es klopfte. Rachel schaute auf und sah durch die Milchglastür ihres Büros den großen Schatten eines stattlichen Mannes, bevor die Tür geöffnet wurde und er fragend den Kopf ins Zimmer streckte.
    Er . Rachel zuckte zusammen und nahm einen tiefen Atemzug durch die Nase, als erblickte sie eine haarige schwarze Spinne und nicht einen völlig normal aussehenden Mann. (Dabei hatte Rachel oft gehört, dass andere Frauen ihn als »umwerfend« bezeichneten, was sie absurd fand.)
    »Entschuldigen Sie, äh … Mrs. Crowley.«
    In bester Schuljungen-Manier blieb er stets förmlich, nannte sie nie Rachel wie der Rest der Belegschaft. Ihre Blicke trafen sich, wobei der seine wie immer zuerst an ihr vorbeischweifte, um kurz irgendwo an der Decke hängen zu bleiben.
    Seine Augen lügen , dachte Rachel wie eigentlich jedes Mal, wenn sie ihn sah. Seine Augen lügen  – ein Satzwie eine Beschwörungsformel, eine Gebetsmühle.
    »Tut mir leid, dass ich störe«, meinte Connor Whitby. »Ich wollte nur fragen, ob ich die Anmeldeformulare für das Tenniscamp abholen kann.«
    »Mit irgendetwas hält dieser Whitby hinterm Berg«, hatte Sergeant Rodney Bellach vor all den vielen Jahren einmal gesagt, damals, als er den Kopf noch voller schwarzer, lockiger Haare gehabt hatte. » Seine Augen lügen.«
    Rodney Bellach war mittlerweile pensioniert. Er rief jedes Jahr zu Janies Geburtstag an und erzählte Rachel dann gern von seinen neuesten Wehwehchen. Noch jemand, der alt wurde, während Janie ewig junge siebzehn blieb.
    Rachel reichte ihm die Formulare, und Connors Blick fiel auf Tess.
    »Tess O’Leary!« Seine Miene wandelte sich, und einen Moment lang sah er aus wie der kleine Junge in Janies Fotoalbum.
    Tess blickte auf und war irritiert. Sie schien Connor überhaupt nicht zu erkennen.
    »Connor!« Er klopfte sich auf die Brust. »Connor Whitby!«
    »Oh, Connor, klar. Schön, dich …« Tess erhob sich, blieb aber auf halbem Weg am Rollstuhl ihrer Mutter hängen.
    »Bleib ruhig sitzen«, sagte Connor. Er ging auf sie zu, küsste sie auf die Wange, just als sie wieder Platz nahm, weshalb seine Lippen nur ihr Ohrläppchen trafen.
    »Was machst du denn hier?«, fragte Tess. Sie schien nicht sonderlich erfreut zu sein, Connor zu sehen.
    »Ich arbeite hier«, erklärte er.
    »Als Buchführer?«
    »Nein, nein. Ich habe vor einigen Jahre die Branche gewechselt und bin jetzt Sportlehrer.«
    »Ach, wirklich? Na, das ist ja …« Tess stockte kurz und sagte dann: »… schön.«
    Connor räusperte sich. »Ja, sehr schön, dich zu sehen.« Er warf einen flüchtigen Blick auf Liam, schien noch etwas hinzufügen zu wollen, überlegte es sich aber anders und hob stattdessen die Formulare hoch. »Danke dafür, Mrs. Crowley.«
    »Keine Ursache«, sagte Rachel kühl.
    »Wer war denn das?«, fragte Lucy ihre Tochter, kaum dass Connor aus der Tür war.
    »Nur jemand, den ich mal kannte. Ist Jahre her.«
    »Ich erinnere mich gar nicht an ihn. Bist du mit ihm gegangen?«
    »Mum!« Tess machte eine Handbewegung in Richtung Rachel und die Anmeldebogen auf dem Tisch.
    »Entschuldige!« Lucy lächelte schuldbewusst. Liam schaute an die Decke, streckte die Beine durch und gähnte laut.
    Rachel fiel auf, dass Großmutter, Mutter und Enkel alle die gleiche volle Oberlippe hatten. Ein nettes Spiel der Natur. Und diese Bienenstich-Lippen machten sie schöner, als sie tatsächlich waren.
    Sie hatte plötzlich aus heiterem Himmel eine Stinkwut auf alle drei.
    »Gut, wenn Sie jetzt nur noch hier unter Allergien und Medikamente unterschreiben«, sagte sie zu Tess und stieß mit der Fingerspitze auf das Blatt. »Nein, nicht hier. Da. Dann haben wir alles fertig.«
    Tess steckte

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