Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
auch nicht. Sie ist resistent gegen jede Form der Beratung und sie weiß alles besser. Ich habe sie zu Dr. Johnstone geschickt. So wie es aussieht, haben sich auf ihren Stimmbändern Knötchen gebildet.«
»Großer Gott!« Alex war ehrlich bestürzt. Knötchen auf den Stimmbändern war so ziemlich das Schlimmste, was einem Sänger passieren konnte. Es würde Wochen dauern, bis Cindy wieder würde singen dürfen. »Dann wird sie die Lucia di Lammermoor absagen müssen. Das wird ihr nicht gefallen!«
»Ich weiß. Aber wenn ein Arzt ihr mit Stimmverlust droht, wird sie vielleicht ihr Gehirn wieder einschalten.«
Alex musste unwillkürlich grinsen. Amanda hatte einen so wundervoll trockenen Humor. Sie nahm kein Blatt vor den Mund und sagte, was sie dachte. Damit machte sie sich nicht nur Freunde, aber Alex kam gut mit ihr aus. Man durfte ihr nur nicht in die Schusslinie laufen.
»Cindy wird toben. Die Lucia ist für sie eine riesige Chance. Und was wird aus dem Konzert am Samstag? Es ist der Geburtstag ihres Vaters? Soll sie das auch absagen?«
Amanda überlegte. »Nein, noch nicht. Wir warten, was der Arzt sagt. Und vielleicht möchte Cindy das Konzert ihrem Vater ja trotzdem schenken. Mit einem Ersatz. Immerhin ist es sein sechzigster Geburtstag. Aber Sie sollten Sie vielleicht heute noch anrufen. Ich denke nach dem Besuch bei Johnstone wird sie Beistand brauchen.«
»Ich sehe sie heute Abend, dann rede ich mit ihr.«
»Gut. Ich hoffe, Sie haben Erfolg.«
»Das hoffe ich auch.«
Alex beendete das Gespräch und dachte mit Schaudern an Cindys Laune, die sie mit Sicherheit haben würde, nach ihrem Besuch beim Arzt.
Er ging ins Bad und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser. Er musste sich endlich auf sein Konzert vorbereiten. Das hatte Vorrang vor allem. Sein Spiegelbild starrte ihn grimmig an: Männer weinen nicht, hast du das vergessen? Nein, hatte er nicht! Er ging zurück in sein Musikzimmer und klappte den Flügel auf. Seine Hände griffen in die Tasten und das arme Klavier bekam zu spüren, wie es sich anfühlte, wenn Alex Landon nicht weinte.
15
Emma stand in der Küche und starrte auf das Wasser, das als Teewasser seit einer halben Stunde vor sich hin kochte. Sie versuchte zu ordnen, was gerade geschehen war. Doch sie kam nicht weit. Ihre Gefühle schlugen Salto und in ihrem Hirn herrschte Chaos.
Sie musste das Telefonat mit Alex verdauen. Warum nur hatte er angerufen? Er hatte sie angefleht, sich mit ihm zu treffen. Aber wozu? Er hatte Cindy und würde ein Kind bekommen! Er war kein Mann, mit dem man rechnen konnte. Und er hatte sie mit Tatjana betrogen. Das durfte sie auch nicht vergessen.
Und in dem ganzen Durcheinander machte Antonio ihr auch noch einen Antrag. Emma stöhnte. Ihr Kopf schmerzte vor Anstrengung. Antonio war charmant, zweifellos, und für eine Affäre, die ihr über Alex hinweghalf, bestimmt geeignet. Aber musste sie ihn deshalb gleich heiraten? Nein! Sie konnte Antonio auch gar nicht heiraten, weil sie ihn nicht liebte! So einfach war das. Gut! Hier herrschte wenigstens Klarheit. Sie würde Antonio morgen einen Korb geben! Mit dieser Entscheidung fühlte sie sich gleich viel besser. Ihr graute zwar vor seiner Reaktion, denn kampflos würde er sicher nicht auf sie verzichten. Aber er konnte sie ja nicht zwingen. Oder doch? Emma grübelte. In der Begeisterung, mit der er um sie warb, lag auch etwas Bedrohliches. Er war leidenschaftlich und Südländer. Die reagierten, wenn man sie kränkte, meistens gereizt. Aber das Risiko musste sie eingehen. Sie konnte Antonio ja nicht heiraten, nur um ihn nicht zu reizen. Ihr Handy klingelte. Emma nahm ab.
»Ja?«
»Emma, hier spricht Henry Dillingham. Ich wollte dir nur sagen, ich werde Viertel vor acht direkt am Eingang der Royal Albert Hall auf dich warten. Oder soll ich dich zu Hause abholen?«
Royal Albert Hall? Emma fuhr hoch. Das Konzert! Dillingham! In der ganzen Aufregung hatte sie seine Einladung komplett vergessen.
»Nein, danke, ich komme mit dem Taxi!« Ihre Vergesslichkeit war ihr peinlich und sie wollte auf keinen Fall, dass er sie abholte.
»Dann bis gleich. Das Konzert wird dir gut tun.«
Emma atmete tief durch. Das auch noch! Aber Dillingham hatte Recht, das Konzert würde ihr gut tun, denn es würde sie vom Grübeln abhalten. Außerdem war sie schon lange in keinem Konzert mehr gewesen. Sie sah auf die Uhr. Es war bereits nach sechs. Sie musste sich also beeilen.
Aber was sollte sie anziehen? Für die Royal Albert
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