Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
sie trug?
Cindy fand Antonios und Emmas Verspätung mehr als empörend. Emma hatte ihr damit ihren eigenen Auftritt kaputtgemacht, denn sie selbst war in Alex Begleitung aus demselben Grund um zehn nach sieben gekommen. Scheel betrachtete sie Emmas Aufzug. Wo bekam man denn so ein Kleid?
Sie selbst trug ein teures Nichts von einem Kleid. Feuerrot und hauteng war es hinten so tief ausgeschnitten, dass man den Ansatz ihres Pos erkennen konnte. Und der vordere Ausschnitt war so gewagt, dass sie es von innen mit einem Hautkleber an ihrem Busen festkleben musste. Sonst hätte sie bei jeder Bewegung einen unseriösen Einblick in ihren Ausschnitt gewährt. Ihre langen, wilden Haare hatte sie seitlich mit einem diamantenbesetzten Kamm festgesteckt. Ansonsten fiel es ungebändigt über ihre nackten Schultern. Das feurige rot des Kleides und das fuchsige rot ihrer Haare bildeten einen bösen Kontrast. Aber Cindy war von ihrem Outfit überzeugt und niemand hätte es gewagt, ihre Entscheidung zu kritisieren. Ihr Vater liebte sie uneingeschränkt und fand alles was sie trug oder tat großartig. Und ihre Mutter war eine schüchterne unsichere Frau, die weder von ihrem Mann, noch von ihrer Tochter ernst genommen wurde. Sie hatte zwischen diesem Duo längst resigniert und sparte sich in Bezug auf ihre Tochter jeden Kommentar. Und da Cindy alle Frauen als potenzielle Konkurrentinnen empfand, hatte sie auch keine echten Freundinnen, die ihr hätten widerspiegeln können, wie sie tatsächlich wirkte.
Doch Cindy erzielte in dem Kleid genau die Wirkung, die sie wollte. Das Kleid hatte nämlich nur eine Botschaft: Fick mich! Alle Männer im Saal verstanden die Aufforderung und wären ihr gerne nachgekommen. Nur Alex, der Einzige, von dem sie es sich wünschte, reagierte überhaupt nicht. Cindy hatte sich, nach der kurzen Annäherung am Morgen etwas anderes erhofft, aber Alex war seit der Jagd wieder unnahbar und tief in sich versunken. Der Grund dafür saß am anderen Ende des Tisches und trug ein moosgrünes Kleid.
Cindys Hass auf Emma war glühend, und wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, Emma in einen Fleischwolf zu stecken, hätte sie, ohne mit der Wimper zu zucken, die Kurbel betätigt.
Unterschiedlicher als Emma und Cindy hätten schöne Frauen nicht sein können, und so hatte der männliche Teil der Gäste etwas zu gaffen, und der weibliche etwas zu tuscheln.
Cindy hatte Emma und Antonio neben Lord Heartsborough und seiner Gattin Lady Lilian platziert. Die beiden waren ein Ehepaar weit über sechzig, die Cindy langweilig und dröge fand. Cindy hatte sie extra für Emma als Tischnachbarn ausgewählt, denn Emma sollte sich hier nicht vergnügen. Außerdem hatte sie Emma und Antonio ans Ende des Tisches verbannt. Weit weg von sich und Alex. Doch Emma führte ein angeregtes Gespräch mit Lady Lilian über ihre Rosen und Lord Heartsborough war entzückt über Emmas Reitkünste.
Und alle waren interessiert an ihrer Heirat mit Antonio, und der erzählte jedem, dass er und Emma heute spontan geheiratet hätten. Indiskret, wie er war, verriet er auch, dass Emma nur mit einem Mann schlafen würde, mit dem sie auch verheiratet war. Bald wussten alle, dass heute die Hochzeitsnacht der beiden stattfinden würde und dass Emma noch Jungfrau war. Emma war peinlich berührt. Antonios Angeberei wurde für sie immer unerträglicher und sie dachte mit Schrecken an das Ende des Abends.
Sie warf einen heimlichen Blick zu Alex am anderen Ende der Tafel. Hörte er, was Antonio schwatzte? Doch Alex sah nicht in ihre Richtung. Seine Augen waren starr auf seinen Teller gerichtet und er schien tief in Gedanken versunken.
»Liebe Gäste, Freunde, Verwandte, alle, die ihr heute gekommen seid, um mit mir zu feiern!« William Briggs hatte sich erhoben, und seine mächtige Stimme dröhnte durch den Raum. »Ich bin sehr glücklich über diesen Abend, den mir meine liebe Cindy geschenkt hat. Sie hat jeden Einzelnen von euch eingeladen. Also benehmt euch gefälligst, denn wenn es hier zu einer Schlägerei kommt, fällt das auf sie zurück.« William Briggs hatte seine eigene Vorstellung von Humor. Die Gäste lachten höflich. »Und sie trägt die Verantwortung für das Menü.« Er zwinkerte seiner Tochter zu. »Wusste gar nicht, dass du so gut kochen kannst, Cindy! Später wird sie dann, mit ihren Künstlerkollegen Antonio Medici und Alex Landon, für uns ein kleines Konzert geben. Ein musikalischer Leckerbissen, habe ich mir sagen lassen. Bin nicht
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