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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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zu sein. Daher beschließen sie, ihn heimlich in einer kleinen Kirche in der Nähe zu beerdigen. Als sie den armen Diego Marcilla am folgenden Tag beisetzen, trägt Isabel ihr Brautkleid. Sie tritt an den offenen Sarg, um ihrem Geliebten den Kuss zu geben, den sie ihm nachts verweigert hat, aber als sie ihn küsst, fälltsie tot um und stürzt auf Diego, der seine Geliebte nun endlich umarmen kann.«
    »Das ist wirklich sehr traurig. Da muss ich dir recht geben.«
    »Ja, nicht wahr?« Sie beugt sich über ihn und küsst ihn lange, aber als er versucht, sie an sich zu ziehen, lässt sie ihn los, setzt sich auf und sagt sehr ernst und mit einer Melancholie im Blick, die ihm Angst macht: »Diese traurige, aber zugleich sehr romantische Geschichte rührte die Einwohner von Teruel zutiefst. Sie wollten, dass diese beiden, die einander zu Lebzeiten nicht bekommen konnten, Seite an Seite begraben werden, damit sie im Tode für immer vereint sind. Die Kirche lehnte dies zunächst ab, Isabel und Diego waren ja nicht verheiratet. Aber schließlich beugte sich die gestrenge Kirche der Liebe und dem Willen des Volkes, und die Liebenden von Teruel wurden gemeinsam begraben und sind auf die Weise seit jenem Tag für immer vereint. Wenn die Stadt bald wieder befreit sein wird, kannst du in Teruel ihr Grab besuchen.«
    »Amen«, sagt er, aber ein Schatten huscht über ihr Gesicht.
    »Hör auf, dich darüber lustig zu machen.« Ihre Stimme klingt seltsam ausdruckslos.
    Er setzt sich ebenfalls auf: »Hat diese Geschichte für dich möglicherweise noch eine andere Moral?«
    »Vielleicht. Kennst du das nicht? Man hat sich gerade so wunderbar geliebt, und dann wird man plötzlich ganz traurig. Es kommt mit einer solchen Wucht wie ein plötzlicher Bombenangriff, und dann ist es schon wieder vorbei, bevor es überhaupt richtig angefangen hat.«
    »Was willst du mir damit sagen? Du meinst doch noch etwas anderes, das mit uns zu tun hat.«
    »Vielleicht.«
    »Und was?«
    »Dass man den Augenblick ergreifen und das genießensoll, was ist, und nicht auf das warten, was vielleicht noch kommen wird.«
    »Westen ist Westen, und Osten ist Osten, und diese beiden Größen können einander einen Moment lang begegnen, aber nicht an eine gemeinsame Zukunft denken. Ist es das?«
    »Etwas in der Art.«
    »André meint, du könntest Klammeraffen nicht leiden.«
    »Ich halte dich auch nicht für die Sorte Mann, die Wurzeln schlägt und sich ein Nest baut.«
    »Vielleicht wäre ich bereit, es auszuprobieren, wenn mir die Richtige begegnet.«
    »Gibst du mir bitte eine Zigarette?«
    »Es ist wegen deines Vaters, nicht wahr? Ich weiß, was er macht.«
    »Halt meinen Vater bitte da raus.«
    »Es könnte schwierig werden, weil er doch Oberst beim NKWD ist, nicht wahr? Was macht man da, Irina? Dein Vater reitet auf einem Tiger, und das weißt du nur zu gut. Du liest ja auch die Zeitungen. Du liest ebenfalls über die Säuberungsaktionen und die Hinrichtungen und Deportationen in Moskau.«
    Sie spricht mit unterdrückter Wut, und ihre Stimme klingt eiskalt: »Du sollst meinen Vater da raushalten, habe ich gesagt. Als wäre mein Vater ein Volksfeind. Wie kannst du so etwas glauben? Papa kennt Stalin persönlich, verflucht noch mal. Er bekämpft die Volksfeinde. Und ich finde, du solltest jetzt nach drüben in dein Zimmer gehen.«
    »Irina, zum Teufel. Was ist denn auf einmal mit dir los?«
    »Das hörst du doch. Jetzt hau endlich ab.«
    »Was hast du denn bloß?«
    »Dieses ganze verfluchte Gerede über die Liebe. Liebe tut weh, verdammt noch mal. Du vögelst gut, mehr musses doch nicht sein, oder? Du wirst morgen schon ein anderes Bett finden. Was willst du denn noch von mir?«
    »Das weißt du ganz genau.«
    »Jetzt hau verflucht noch mal endlich ab.«
    Aber dann ist sie es, die aufsteht. Er sieht Tränen in ihren Augen, kann aber nicht erkennen, ob es Zornestränen sind oder vielleicht doch etwas anderes, denn in ihrem Blick liegt zugleich ein großer Schmerz. Ihr Stimmungswechsel hat sich vollkommen unverhofft und mit unglaublicher Geschwindigkeit vollzogen. Von intimer postkoitaler Behaglichkeit zu diesem traurigen Wutanfall. Sie steht mitten im Zimmer, ihr Gesicht ist verzerrt, und sie stampft mit dem rechten Fuß auf wie ein trotziges Kind.
    Er steht vom Bett auf und macht ein paar Schritte auf sie zu, aber wieder kommt sie ihm zuvor, stürzt völlig unverhofft auf ihn zu und schlägt ihm mit der Faust gegen die Wange. Sie schickt noch einige Schläge

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