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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Die Sonne. Die heißen Sommer. Die schönen Winter mit dem vielen Schnee. Die Sprache. Puschkins wundervolle Gedichte. Maxim Gorkis Dramen, die so einzigartig sind. Er ist leider letztes Jahr gestorben. Liebst du dein Land denn nicht, Magnus?«
    »Dänemark? Nein. Eigentlich nicht. Dänemark hat mirnie sonderlich viel bedeutet. Wenn ich das je von einem Land behaupten wollte, dann würde ich sagen, dass ich Argentinien liebe. In Argentinien könnte ich mir vorstellen, zu leben und zu sterben. Oder vielleicht in Spanien, wenn hier irgendwann einmal der Frieden Einzug halten sollte.«
    »Das tut mir ein bisschen leid für dich. Du musst dich ja ganz entwurzelt fühlen. Und der Mensch braucht Wurzeln, um sich verändern zu können, sagt Papa immer. Bei mir ist es vielleicht anders. Ich habe von klein auf gelernt, Russland und den großen Stalin zu lieben, der so viel für uns tut.«
    »Das ist auf jeden Fall etwas anderes.«
    »Vielleicht. Aber das muss man eben.«
    »Stalin lieben?«
    »Ja, natürlich. Das tun alle Menschen. Natürlich nicht persönlich. Denn ich finde ihn, ehrlich gesagt, hässlich.«
    »Bist du Stalin jemals begegnet?«
    »Ein einziges Mal. Mein Vater spielt eine wichtige Rolle für die Revolution und kennt Stalin persönlich. Sie haben zusammen im Untergrund gegen den Zaren und seine Geheimpolizei gekämpft. Mein Vater hat sogar einmal Lenin höchstpersönlich getroffen. Das war in Petrograd, aber er kannte ihn nicht so gut, wie er Stalin kennt. Papa hat mich einmal mitgenommen, als ich fünfzehn war, damit ich ihn kennenlernte.«
    »Und wie ist er so, dein großer Führer?«
    »Hässlich, das habe ich doch schon gesagt. Er ist klein und hat jede Menge Aknenarben im Gesicht, außerdem hat er einen merkwürdig herunterhängenden Arm und stinkt fürchterlich nach altem Pfeifenrauch. Ich hatte fast ein bisschen Angst vor ihm, obwohl er eigentlich freundlich zu mir war und mich in die Wange gekniffen und gesagt hat, ich sei ein hübsches kleines Ding.«
    »Zu Recht.«
    »Was? Dass ich hübsch bin? Ich war eine Bohnenstange mit flachen Brüsten. Ich habe immer weggeschaut, so schüchtern war ich.«
    »Das war es nicht, was ich meinte«, sagt er und streichelt ihre Wange, bevor er seine Hände hinter dem Nacken verschränkt und sie ansieht.
    »Ich weiß. Du meinst, dass ich Angst hatte? Darüber spricht man nicht. Aber ja, es stimmt schon. Alle haben Angst vor ihm, und gleichzeitig lieben wir ihn natürlich, weil er unser Führer ist. Ich habe ein bisschen Angst bekommen, weil er so hässlich war und so alt gerochen hat und weil Vater so großen Respekt vor ihm hatte. Stalin roch nach altem Mann. Du darfst aber niemandem verraten, dass ich das gesagt habe, ja?«
    Er grinst und sagt: »Ehrenwort. Wenn ich Señor Stalin begegne, werde ich ihm nicht erzählen, dass du findest, dass er aussieht wie ein hässlicher alter Messerverkäufer aus Albacete.«
    »Schon gut, mein Lieber. Es ist typisch für euch Ausländer, so zu reden. Schau dir meine Arme an. Ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich seinen Namen nur erwähne. In meinem Land nimmt man seinen Namen nicht einfach so in den Mund. Das tut man nicht. Vergiss nicht, dass ich gelernt habe, Kamerad Stalin auf die russische Weise zu lieben. Und jetzt will ich, dass du mich in deinen Sprachen liebst, oder wie immer du das Unbeschreibliche nennst, was du mit mir machst, und dann werde ich dir zeigen, dass du für mich in diesem Augenblick das Allerbeste auf der großen weiten Welt bist.«
    Hinterher liegen sie wieder nebeneinander und dösen vor sich hin. Sie setzt sich auf, wobei sie ihm halb den Rücken zuwendet. Er lässt seine Hand ihren nackten Rücken heruntergleiten, bis zu den Pobacken und von da aus langsam weiter zu ihrem weichen Bauch und über ihre Brüste, wo seine Liebkosungen ihre Brustwarzen hartwerden lassen. Sie beugt sich nach vorn und genießt eine Weile seine Zärtlichkeiten, streckt sich über ihn hinweg aus, wobei ihre Brüste über seine Brust gleiten. Aber als er sie wieder an sich ziehen will, nimmt sie das Zigarettenpäckchen, schüttelt zwei Zigaretten heraus und zündet beide an. Eine davon steckt sie ihm in den Mund, entfernt einen kleinen Krümel Tabak von ihrer Unterlippe und raucht gierig.
    »Soll ich dir eine traurige und zugleich sehr schöne Geschichte erzählen, die ich in Aragonien gehört habe?«, fragt sie. »Sie nennen sie die Geschichte der Liebenden von Teruel.«
    »Wenn du mich hinterher noch einmal liebst.«
    »Wirst du

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