Die Wahrheit stirbt zuletzt
haben, denn die beiden Leibwächter von der Guardia Asaltos machen einen Schritt auf ihn zu. Pandrup hebt besänftigend die Hand, und Magnus tritt zur Seite. Mit einer anderen Handbewegung gibt Pandrup den beiden Kerlen zu verstehen, dass sie vor der Tür warten sollen.
Magnus holt seine Zigaretten und zündet Pandrup eine an. Er setzt sich auf die Bettkante, gießt ein wenig Branntwein in sein Glas und hält Pandrup die Flasche hin, der mitten im Zimmer steht und dankend ablehnt.
»Jetzt sag schon«, sagt Magnus resigniert.
»Ich bin hier, um Sie zu bitten, nein, Ihnen zu befehlen, Albacete und Spanien zu verlassen.«
»Es hat also nichts mit Irina zu tun? Das erleichtert mich wirklich sehr, Pandrup. Jetzt lass uns doch endlich zum Du übergehen, auch wenn du nicht mit mir trinken willst.«
»Dein Sarkasmus hilft dir jetzt auch nicht weiter, Meyer.«
»Und warum soll ich diesmal abreisen?«
»Weil sie dich im Laufe des Tages oder spätestens morgen verhaften werden, um dich zum Verschwinden von Joe Mercer und eines berüchtigten Kriminellen namens Irribarne zu verhören.«
Magnus leert sein Glas. Er ist wie gelähmt. Es ist auf einmal sehr kalt im Zimmer. Er steht auf, geht ins Bad und pinkelt, während er versucht, seine Gedanken und seine Mimik unter Kontrolle zu bringen. Als er ins Zimmer zurückkommt, hat Pandrup sich auf einen Stuhl gesetzt und sich doch einen Daumenbreit Branntwein in ein Zahnputzglas gegossen.
»Was habe ich damit zu tun?«, fragt Magnus mit ruhiger Stimme.
Jetzt steht Pandrup auf. »Das werden die Verhöre zeigen, aber man hat dich mit ihnen zusammen in Cartagena gesehen. Es sieht so aus, als wärst du der Letzte gewesen, der mit den beiden Herren zusammen gewesen ist. Jedenfalls hat sie niemand mehr gesehen, seit ihr auf dem Berg der Empfängnis miteinander geplaudert habt.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest«, sagt Magnus, dem die genaue Angabe, wo Joe und er sich mit Irribarne getroffenhaben, gar nicht gefällt. Der SIM hat offenbar lange Ohren und viele Kontakte.
»Nein? Das Gedächtnis kann einen ja mal im Stich lassen, aber mein Kollege Stepanowitsch ist unschlagbar darin, Leuten auf die Sprünge zu helfen.«
Magnus spürt, wie die Angst in ihm aufsteigt. Er sieht Joe und Irribarne vor seinem inneren Auge, und dieses Bild gefällt ihm ganz und gar nicht. Die Gedanken und Bilder, die Pandrups Worte über Stepanowitschs Methoden in ihm hervorrufen, verursachen ihm größtes Unbehagen.
»Ich weiß nicht, was ich Stepanowitsch getan haben soll.«
»Er ist ein gewissenhafter Kamerad.«
»Ja, und ich bin General Franco.«
Pandrup seufzt und nippt an seinem Glas: »Jetzt hör mir mal zu. Ich tue dir einen Gefallen. Du bist ein Landsmann von mir. Stepanowitsch ist überzeugt, dass du als Spion für die Faschisten arbeitest. Er will dich einsperren und mit rabiatesten Methoden verhören. Er hat nichts gegen dich in der Hand, und es schadet dem Ruf der Republik, wenn wir Presseleute in den Kerker werfen, aber du hast dir mit deiner Verbindung zu Joe Mercer und Irribarne, der ein sehr bekannter Krimineller ist oder vielleicht war, die Schlinge selbst um den Hals gelegt. Jetzt kann man dich unter dem Verdacht festnehmen, dass … Ja, was genau eigentlich? Schwarzmarkthandel? Oder Mord? Denn wo sind Joe Mercer und Irribarne? Stepanowitsch und ich haben überall nach ihnen gesucht und haben zusätzlich gute Leute auf die Sache angesetzt. Die beiden sind von Spaniens Erdboden verschwunden. Und der Mensch, der sie zuletzt gesehen hat, bist du. Das reicht. Wenn Stepanowitsch dich einsperren lässt, weißt du, was passiert, nicht wahr? Also pack bitte deine Sachen. Mach dich auf den Weg, bevor es zu spät ist.«
»Warum tust du das alles?«
»Du bist mein Landsmann.«
»Da steckt doch noch mehr dahinter, Pandrup. Wo ist Irina? Weißt du es?«
Pandrup blickt demonstrativ auf seine Uhr. »Ich vermute, Irina sitzt im Moment in Valencia und wartet darauf, an Bord eines russischen Flugzeugs zu gehen, das sie nach Moskau bringen wird. Oder noch wahrscheinlicher ist es, dass das Flugzeug sich längst in der Luft befindet.«
Pandrup sagt das in einem so kühlen und nüchternen Ton wie alles andere, was er Magnus bisher mitgeteilt hat, aber Magnus kommt es auf einmal so vor, als schaukele das Zimmer wie bei starkem Seegang. Er lässt sich schwer auf die Bettkante plumpsen.
Er kann und will den niederschmetternden, tonlosen Worten aus dem kleinen Mund des Kommissars keinen Glauben
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