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Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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Sorgen machen.
    An Joes blutiges Ende versucht er ebenfalls möglichst wenig zu denken. Es gibt viele Dinge, die er verdrängt, auch wenn er weiß, dass er sich später einmal damit wird auseinandersetzen müssen. Ab und zu denkt er an das Gold und das Vermögen, das es darstellt. Es steht bei allem, woran er denkt, nicht an erster Stelle, und außerdem ist es möglicherweise längst von anderen entdeckt worden, aber hin und wieder kommt ihm in den Sinn, ob es ihm wohl irgendwie gelingen könnte, es sich zu beschaffen.
    Er hatte nicht den Mut und erst recht keine Lust gehabt, in seine Heimatstadt zurückzukehren.
    Von Marseille aus war er nach Paris geflogen und von dort mit dem Zug nach Berlin weitergefahren. Von Berlin aus hatte er Marie ein Telegramm geschickt, und nachdem er sich einige Tage in der Stadt herumgetrieben und sich so müde gelaufen hatte, dass er schlafen konnte, hatte er sich auch mit Svend Poulsen in Verbindung gesetzt. Einige Tage später hatten sie sich dann zu dritt in Kopenhagen getroffen. Ihre Begegnung war angespannt gewesen, denn es fiel Marie schwer, die Enttäuschung über sein Versagen zu verbergen. Die Angespanntheit zwischen Marie und Svend war ebenfalls nicht zu übersehen. Trotzdem vermutete er, dass Marie nach ihrem gemeinsamen Abendessen in der Stadt mit auf Svends Zimmer gegangen war.
    Magnus hatte offen über das gesprochen, was passiert war, und nicht versucht, seinen Part zu beschönigen. Er hatte nichts ausgelassen und nüchtern über seinen Zusammenstoßmit Mads in der Kirche in Madrigueras berichtet. Marie hatte versprochen, den Chefarzt über Mads’ Schicksal zu informieren, allerdings glaubte sie nicht, dass dieser den Verlust verwinden würde. Stattdessen würde er sich nur noch weiter zurückziehen. Sie machte sich ernsthaft Sorgen um die seelische Gesundheit ihres Vaters und wurde wütend auf Magnus, als der demonstrativ alles ignorierte, was sie sagte. Die Tage in der Hauptstadt waren anstrengend gewesen und hatten Magnus ausgelaugt.
    Jetzt ist es bereits Anfang Februar, und der Zug fährt gleichzeitig zu langsam und zu schnell, denn Magnus fürchtet sich vor dem Unbekannten, das ihn in Moskau erwartet.
    Auf dem Sitz neben ihm liegen deutsche Zeitungen, die auf der Titelseite davon berichten, dass die Nationalisten in Spanien endlich die letzte Phase der Gegenoffensive bei Teruel eingeleitet hätten und dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis sie die republikanischen Linien durchbrächen. Die Nationalisten haben das größte Aufgebot an Panzern, Artillerie und Flugzeugen, das die Welt je gesehen hat, für den spanischen Feldzug mobilisiert, und die prahlerische Siegesgewissheit in den deutschen Zeitungen, die er sich in Berlin gekauft hat, ist unverhohlen.
    Svend und er haben auch die Berichte über die jüngsten Prozesse gegen Volksfeinde in Moskau gelesen. Darin werden Irinas Vater und ihr Bruder namentlich erwähnt: Oberst Nikolai Sergejewitsch Schapatowo vom NKWD und der Offizier der Roten Armee Anatoli Nikolajewitsch Schapatowo sind des Hochverrats, der Spionage, der versuchten Meuterei und der Verschwörung gegen die sowjetische Führung angeklagt.
    Es heißt, Oberst Schapatowo sei der fünfthöchste Mann innerhalb des sowjetischen Geheimdienstes. In einer der Zeitungen verleiht der Staatsanwalt seiner großen Zufriedenheit Ausdruck, dass es gelungen sei, jenen hinterhältigenPlänen auf die Schliche zu kommen, die sich gegen den großen Führer des Landes, Kamerad Stalin, richteten. Der Fall zeige, dass permanente Wachsamkeit und ein prinzipientreues Festhalten an den Richtlinien, die der große Lenin und der große Stalin ausgegeben haben, dafür sorgen, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird.
    Es gibt noch mehrere Artikel in diesem Stil, die Magnus mit zunehmender Verwunderung und Abscheu liest. Die deutsche Presse berichtet wesentlich mehr über die Prozesse in Moskau als die dänischen Zeitungen, die er in Kopenhagen gelesen hatte. Svend tut das meiste davon als bürgerliche oder nationalsozialistische Propaganda ab, aber er scheint sich seiner selbst und der Sache nicht mehr so sicher zu sein wie früher.
    Das ist doch interessant, denkt Magnus. Svend war einem instinktiven Zugehörigkeitsgefühl gefolgt und aufgrund seines sozialen Hintergrunds zum revolutionären Kommunisten geworden. Die Partei war frühzeitig auf seine Intelligenz aufmerksam geworden und hatte ihn ausgebildet und geschult. Er hatte seine eigene Intellektualität entdeckt und sich

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