Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wahrheit stirbt zuletzt

Die Wahrheit stirbt zuletzt

Titel: Die Wahrheit stirbt zuletzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
Vom Netzwerk:
mit allem, was uns zur Verfügung stand, fluchend und schreiend auf die Flüchtenden schossen.
    Unterhalb des Hügels lag ein kleines Dorf, das bereits in Schutt und Asche gelegt worden war. Aus einem abgebranntenHaus rochen zwei Ziegenkadaver wie verkohlte Braten. Sie waren ganz schwarz, lagen auf dem Rücken und hatten alle viere in die Luft gestreckt. Hinter einem anderen zerbombten Haus schrie ein Pferd, dessen eines Bein von einer Kugel zertrümmert worden war. Unter dem Pferd lag ein junger italienischer Soldat mit einem schmalen dunkelbraunen Schnurrbart. Er hatte seinen Helm verloren, und ein Bein klemmte unter dem schreienden Pferd fest, während das andere in einem merkwürdigen Winkel emporragte und blutverschmiert war. Er war kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, und schaute uns mit fernen dunklen Augen aus einem bleichen Gesicht an, während er vor sich hin murmelte, als bete er.
    Bertil hatte sich von einem Faschistenoffizier, der zusammen mit zwei einfachen Soldaten tot in einem Straßengraben lag, eine Pistole genommen. Es war eine Beretta mit vollem Magazin. Er zog sie aus seiner Tasche und schoss zuerst das Pferd in die Stirn und anschließend dem Soldaten zwischen die Augen. Dann zogen wir mit vor Durst und Übelkeit zugeschnürter Kehle weiter.
    Es war erfreulich gewesen vorzurücken, aber die Freude war nur von kurzer Dauer. Franco setzte die Marokkaner und die Fremdenlegion ein. Sie trieben einen Keil zwischen uns, und plötzlich geriet alles in Auflösung. Bertil und ich wurden von den anderen getrennt, und später fand uns dann Arturo, oder wir fanden ihn. Bertil sagte, es wäre am besten, wenn wir uns die Nacht über im Olivenhain versteckten, und das taten wir dann auch. Wir teilten uns das Wasser in der Feldflasche ein, aßen das letzte trockene Brot, tranken einen Schluck Cognac und versuchten zu schlafen, aber Arturo schluchzte die ganze Zeit vor sich hin.
    Die deutschen Flugzeuge glitten über uns hinweg, und wir hörten, wie sie ein ganzes Stück von uns entfernt ihre Bomben abwarfen. Bertil fluchte auf Schwedisch vor sichhin, und auch wenn ich nicht alles verstand, war mir doch klar, was gemeint war. Die Front war über uns hinweggezogen, und die Faschisten lagen zwischen uns und der Brigade. Wir konnten die Artillerie in der Ferne hören, ein dumpfes Grollen, das über die Höhenzüge heranrollte, daher war es schwierig einzuschätzen, von wo aus sie gerade schossen.
    Ich hörte den Panzer vor den beiden anderen. Es waren sogar mehr als einer. Bertil packte Arturo an der Gurgel und starrte ihn einfach nur an, damit der Spanier den Mund hielt. Arturos Augen waren schreckgeweitet, als stünde er dem Teufel persönlich gegenüber. Er roch immer noch schlecht, aber er hatte keine Gelegenheit gehabt, sich zu säubern.
    Es waren zwei deutsche Panzer und eine kleine Infanteriegruppe. Francos Marokkaner rückten zusammen mit den neuen Panzern MK, die die Faschisten jetzt von Hitler bekamen, in disziplinierter Formation vor. Bertil und ich luden unsere Gewehre durch, während Arturo nur sein Gesicht in den Staub bohrte, aber sie bogen rechts von uns ab, verschwanden den Hügel hinauf und kamen auf der anderen Seite wieder hinunter. Vielleicht waren sie ebenfalls von ihrer Haupteinheit getrennt worden. Sie kümmerten sich nicht um die Toten, die am Fuße des Hügels lagen. Die Geier machten sich zur Landung bereit, sobald die kleine Gruppe weg war.
    Bertil sagte, dass es eigentlich am besten wäre, den ganzen Tag über im Olivenhain zu bleiben, aber das ließ sich nicht machen. Wir hatten nichts mehr zu essen und zu trinken, und die Sonne brannte so stark, dass es sich anfühlte, als lägen wir in einem Backofen. Am späteren Nachmittag beschlossen wir, an dem entlang, was wir für den Frontverlauf hielten, in Richtung Süden zu gehen. Arturo hatte sich ein wenig gesäubert, aber er stank noch immer, daher ließen wir ihn hinten gehen. Bertil ging an der Spitze.
    Es war eine endlos weite Landschaft mit versprengten Olivenhainen, die wie dunkle Muttermale auf der gelben und roten Erde verteilt waren. Spanien wirkte so groß und leer, dass man förmlich darin verschwand, und so gewaltig, dass man sich wie einer der letzten Menschen auf Erden fühlte. Es war brennend heiß, und das Gewehr und die Patronentasche wurden schwerer und schwerer. Bertil musste Arturo ein paarmal mit seinen großen, knochigen Händen drohen, weil der kleine Spanier sein Gewehr und seine Patronentasche wegwerfen

Weitere Kostenlose Bücher